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Dustlands - Die Entführung

Dustlands - Die Entführung

Titel: Dustlands - Die Entführung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moira Young
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Dunkelheit am Ende stärker ist als die rote Hitze.
    Sobald ich die Augen zumach, kommt sie.
    Die Dunkelheit.
    Und mit der Dunkelheit kommen die Träume.

    I ch bin im Kolosseum.
    Es ist still. Leer. Dunkel. Mitten in der Nacht.
    Ich bin im Käfig, barfuß, meine Kleider hängen in Fetzen. Ich rüttel an der Käfigtür, aber sie ist verriegelt. Ich sitz drinnen fest.
    Mein Nacken kribbelt. Langsam dreh ich mich um.
    Da stehen sie alle. Alle Frauen, gegen die ich je gekämpft hab. Alle Frauen, die ich besiegt und in den Spießrutenlauf geschickt hab. Mit mir im Käfig eingesperrt. Sie sind nur Schatten, ihre Gesichter liegen im Dunkeln, aber ich kenn sie. Jede Einzelne. Die Farbe ihrer Augen, die Form ihrer Nasen, wie die Angst auf ihrer Haut riecht.
    Jetzt setzen sie sich in Bewegung, gleiten auf geräuschlosen Füßen auf mich zu.
    Verzeiht mir, flüster ich, sag ich, kreisch ich – verzeiht mir, verzeiht mir, verzeiht mir – aber aus meinem Mund kommt kein Ton.
    Dann sind sie über mir. Umringen mich. Ziehen mich zu Boden.

    T intenschwarze Dunkelheit, wie eine Decke über meinem Kopf.
    Stimmen. Geflüster. Murmeln. Seufzen. Aber so weit weg, dass ich die Wörter nicht versteh. Dann: Saba! Saba, hilf mir!
    Lughs Stimme. Aber wie damals, als er noch klein gewesen ist. So alt wie Emmi.
    Lugh!, ruf ich. Hier bin ich. Ich such dich. Wo bist du?
    Ich weiß nicht! Beeil dich, Saba! Es ist so dunkel. Ich … ich hab Angst.
    Er fängt an zu weinen.
    Schon gut, Lugh!, ruf ich. Ich find dich! Red weiter, damit ich dich finden kann!
    Ich kann nicht! Ich kann nicht! Saba! Sie kommen!
    Er kreischt.
    Lugh!, brüll ich. Lugh!
    Stille.
    Dann wieder die Stimmen. Näher jetzt, ich kann hören, was sie sagen.
    Zu spät … zu spät … zu spät …
    Nein, wimmer ich. Nein! Bitte! Lugh! Ich bin hier! Ich komm!
    Ich quäl mich aus meinem Traum raus. Bin schweißgebadet. Ich setz mich auf, mein Herz klopft wie wild.
    Ich warte. Es dauert immer ein paar Minuten, bis ich wieder bei mir bin, bis ich wieder Luft krieg. Meine Decke ist ganz verdreht und hat sich um die Kette an meinem rechten Knöchel gewickelt.
    Ich träum jede Nacht von Lugh. Sehen kann ich ihn nie. Nur hören. Manchmal hat er Angst und ruft nach mir, wie heut Nacht. Manchmal ist er auch wütend und schreit.
    Verdammt nochmal, Saba, wo bist du? Warum brauchst du so lange?
    Aber der schlimmste Traum ist der, in dem er mir meine eigenen Worte wiederholt.
    Ich find dich. Egal wo sie dich hinbringen, ich schwör, ich find dich.
    Immer wieder, endlos, bis ich wach werd und es aufhört.
    Manchmal schlaf ich nach den Träumen wieder ein, aber manchmal lieg ich auch wach und wart drauf, dass es Morgen wird. Ich roll meine Decke zusammen und leg sie mir untern Kopf. Dann lieg ich da und warte, was von beidem es diesmal wird.
    War’s ein schlimmer diesmal?
    Ein Flüstern aus der Zelle nebenan. Wo sie die ganzen anderen Kämpferinnen zusammen eingesperrt haben.
    Ich antworte nicht. Ich mag nicht mit denen reden, gegen die ich kämpf oder irgendwann kämpfen muss. Und es spricht sowieso keine von denen mit dem Todesengel. Sie haben Angst vor mir. Ist bestimmt besser so. Aber ich kenn die meisten Stimmen. Die hier erkenn ich nicht, muss also eine Neue sein. Sie hat eine leise, sanfte Stimme. Nett.
    Gestern hab ich dich auch gehört, sagt sie. Und in der Nacht davor auch. Seit ich hier bin.
    Jetzt weiß ich. Vor drei Tagen haben sie abends eine Neue reingebracht. Groß und dünn. Sieht ein bisschen schwächlich aus. Ein paar Jahre älter als ich, vielleicht zweiundzwanzig. Heute hat sie ihren ersten Kampf verloren.
    Wenn sie mich hören kann, dann können die anderen mich auch hören. Es ist gefährlich, wenn du deine Gegner deine Schwäche sehen lässt. Schwäche kann dich töten. Dann sagt sie, als ob sie in meinen Kopf gucken könnt: Schon gut. Sonst weiß es keiner. Nur ich. Ich schlaf nicht viel.
    Ich hör, wie sie näher an die Gitterstangen ranschlurft. Sehen kann ich sie im Dunkeln nicht, nicht mal ihren Umriss. Der Zellentrakt hat keine Fenster. Tagsüber brennen Fackeln, aber nachts ist es hier stockdunkel.
    Du hast verloren heute, sag ich. Hab sie reden gehört. Sie haben gesagt, du hast es nicht mal versucht.
    Ich bin keine Kämpferin, sagt sie, nicht wie du. Je eher ich verlier, desto schneller ist es vorbei.
    Willst du denn sterben?, frag ich.
    Ich will frei sein, sagt sie. Ich bin noch nie frei gewesen. Mein ganzes Leben nicht. Eine Weile ist sie still. Dann sagt

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