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Dustlands - Die Entführung

Dustlands - Die Entführung

Titel: Dustlands - Die Entführung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moira Young
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und sie werden wie die Meute im Kolosseum, wenn ein Kämpfer in den Spießrutenlauf geht. Wie Mad Dog. Wenn sie einmal damit anfangen, können sie nicht mehr aufhören. Sie wollen nicht mehr aufhören.
    Aber ein Menschenopfer, sag ich. Das glaub ich nicht.
    Ich weiß, wie sich das anhört, aber es stimmt. Dieses Jahr an Mittsommer ist das letzte Opfer sechs Jahre her. Dein Bruder ist achtzehn. Er ist dran.
    Und wegen deinem Vater haben sie von Lugh gewusst, sag ich.
    Ja. Wie gesagt, er hat ihnen von Lugh erzählt. Danach haben sie ihn die ganzen Jahre überwacht, damit ihm nichts passiert.
    Unser Nachbar. Procter John. Das hat er gemeint, als er gesagt hat: Ich hab ihn die ganze Zeit im Auge behalten.
    Gib nicht ihm die Schuld, sie haben ihn bestimmt dazu gezwungen.
    Aber warum haben sie Lugh nicht bei seiner Geburt geholt?, frag ich. Oder hinterher? Warum bis jetzt warten?
    Weil sie wollen, dass der Junge einen starken Geist hat. Und wenn er bei seiner Familie lebt, in Freiheit, wird sein Geist stark.
    Lugh ist so stark wie nur irgendwer, flüster ich.
    Je stärker er ist, wenn er stirbt, desto stärker wird der König sein. Hör zu, Saba, sagt sie. Es ist nicht mal mehr ein Monat bis Mittsommer. Wenn du deinen Bruder retten willst, musst du hier irgendwie raus. Du musst –
    Die Tür zum Zellentrakt fliegt auf, und Mad Dog, der Hauptmann der Wache, kommt rein. Er lässt einen langen dicken Stock in seiner Hand kreisen. Er ist völlig abgedreht vor lauter Chaal, ganz zappelig und mit glänzenden Augen, kichert in sich rein. Die Wärter leuchten ihm mit Fackeln den Weg.
    Wie geht’s meinen Mädels heute Nacht?, fragt Mad Dog.
    Die Kämpferinnen in der Hauptzelle sind sofort wach. Sie springen auf und huschen in die Schatten, damit er sie nicht sieht und eine von ihnen rauspickt. Ich bin im selben Augenblick, als die Tür aufgeht, wieder auf meinem Bett.
    Er fährt mit dem Stock an den Gitterstangen lang.
    Aufwachen, sagt er. Daddy will spielen.
    Helen, sag ich, beweg dich.
    Sie ist starr vor Schreck und kauert immer noch an den Gitterstangen auf dem Boden, da wo wir uns unterhalten haben.
    Mad Dog entdeckt sie.
    Was treibst du denn da? Er steckt den Stock zwischen den Stangen durch und stößt sie. Sie weicht zurück.
    Lass sie in Ruhe, sag ich.
    Ooooh, sagt er. Er kommt an meine Zelle und grinst mich fies an. Wenn das nicht der Todesengel ist.
    Ich guck ihm in die Augen. Lass ihn sehn, wie sehr ich ihn hasse.
    Du hältst dich für was ganz Besonderes, was?, sagt er. Ich sag dir was: Wenn es nach Mad Dog gehen würde, dann wärst du im Nu draußen und würdest Prügel beziehen, wie du sie nie mehr vergisst. Der Tag wird kommen. Und dann wirst du um Gnade betteln. Aber nicht jetzt. Du bist ja jetzt der große Liebling in Hopetown, und Mad Dog will keinen Ärger. Aber ich langweile mich. Ich will ein bisschen Spaß.
    Er zeigt auf Helen. Holt die kleine Ratte da raus, sagt er.
    Er ruckt mit dem Kopf. Die Wärter machen die Hauptzelle auf und drängeln sich zwischen den Frauen durch. Sie drehen Helen den Arm auf den Rücken und zerren sie raus.
    Helen!, ruf ich. Wartet! Lasst sie in Ruhe!
    Mad Dog zieht sich einen Stuhl ran und setzt sich verkehrt rum drauf. Seine Augen funkeln vor Aufregung, und er fängt an zu zucken. Seine Finger, seine Schultern, seine Füße. Das bedeutet Ärger.
    Mal sehen, sagt er. Wie wär’s, wenn du ein Lied für mich singst?
    Ich kenn keine Lieder, sagt Helen leise.
    Sie kennt keine Lieder. Mad Dog guckt sich um, tut ganz überrascht. Tja, kannst du tanzen? Tanz mir was vor … du kleine Ratte. Na los, worauf wartest du? Tanz!
    Helen rührt sich nicht von der Stelle.
    Ich hab gesagt, tanz!
    Lass sie in Ruhe!, sag ich.
    Halt’s Maul. Halt einfach das Maul!, brüllt er. Muss man denn alles selbst machen, verdammt nochmal?
    Er wirft seinen Stuhl an die Wand. Er zerbricht. Dann fängt Mad Dog an zu tanzen. Er lässt seinen Stock kreisen, wirft ihn in die Luft, tanzt drum rum.
    Siehst du?, sagt er. Ist ganz einfach! Ich tanze! Und jetzt alle! Tanzt! Na los!
    Helen steht bloß da, die Arme an die Seiten gedrückt, und starrt ihn an.
    Plötzlich bleibt Mad Dog stehen.
    Wo glotzt du hin, du kleine Ratte? Ich hab gefragt … wo glotzt du hin? Er schreit aus voller Kehle, die Adern an seinem Hals stehen vor.
    Er packt Helen am Arm und zerrt sie auf die Tür zu. Sie schreit auf.
    Helen!, ruf ich. Lass sie los, du Arschloch!
    Ich spring auf die Zellentür zu. Hab ganz vergessen, dass ich an der

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