Dustlands - Die Entführung
Sie lächeln und winken.
Nur Maev nicht. Sie lächelt nicht. Sie winkt nicht. Sie steht einfach da.
Und sieht aus, als ob sie nicht damit rechnet, dass sie uns je wiedersieht.
Die Black Mountains
W ir sind den ganzen Tag geritten. Das muss ich Jack lassen, er legt ein gutes Tempo vor. Schnell genug, dass es mir nicht in den Händen auf den Zügeln juckt, aber nicht so schnell, dass Emmi auf ihrem Pony nicht mitkommt.
Jack sagt, wir sind immer noch in den Ausläufern der Black Mountains. Er sagt, wir brauchen noch ein paar Tage, bis wir die eigentlichen Berge erreichen. Wir reiten immer bergauf, schlängeln uns durch immergrüne Wälder und trockene offene Täler, wo nur Gestrüpp und Büsche wachsen.
Nero freut sich, dass er mich wiederhat, nachdem wir so lange getrennt gewesen sind in Hopetown. Geht mir genauso. Meist ist er zufrieden, auf meiner Schulter zu hocken. Da schwatzt er dann die ganze Zeit und macht Bemerkungen über die Landschaft. Manchmal verschwindet er für eine Weile und kümmert sich um Krähenangelegenheiten.
Wie gerade jetzt wieder. Seit dem Nachmittag ist er verschwunden, und so langsam frag ich mich, was er wohl treibt. Da taucht er aus dem Nichts wieder auf. Aber statt zu mir zu kommen, landet er auf Jacks Kopf. Beugt sich runter und knabbert liebevoll an seinem Ohr.
Ich trau meinen Augen nicht.
Nero!, brüll ich. Lass Jack in Ruhe!
Er kommt so schnell zu mir rübergesaust, dass ich nur einen verschwommenen Fleck seh. Landet auf meiner Schulter und bleibt da hocken. Aber er guckt mich nicht an. Ich hab gar nicht gewusst, dass Krähen schuldbewusst gucken können. Aber genau das tut er.
Jack guckt sich um und lächelt. Wegen mir musst du ihn nicht zurückpfeifen.
Verdammter Jack. Was hat der bloß an sich? Wie macht der das, dass er offenbar alles und jeden bezirzt, was ihm übern Weg läuft? Ash und so ziemlich jede andere Free Hawk, meine Schwester und jetzt auch meine verdammte Krähe. Wenn ihm ein Stein im Weg liegen würd und er keine Lust hätt, drüber wegzusteigen, müsst er dem Stein bloß einen Blick zuwerfen. Und schon würd der von sich aus aus dem Weg rollen. Garantiert.
Aber ich nicht. Ich roll nicht aus dem Weg, für niemand. Nicht mal für ihn. Für ihn schon gar nicht.
A ls es langsam dunkel wird, schlagen wir in einem Kiefernwäldchen an einem schmalen Bach unser Lager auf. Auf der Erde liegen mehrere Schichten tote Nadeln. Sie fühlen sich weich und federnd an unter meinen Füßen. Die Luft duftet würzig und süß nach warmer Kiefer.
Jack macht die Augen zu und atmet tief durch.
Heut Nacht haben wir süß duftende Betten, Emmi, sagt er.
Ich mach uns richtig gute Betten, Jack, sagt sie. Wirst sehen.
Ich sammel Holz und mach Feuer, während Jack sich um unser Zeug kümmert. Emmi läuft eifrig hin und her, lädt das Bettzeug von den Pferden ab und rollt es nebeneinander aus. Sie schwatzt vor sich hin, und ich hör nur halb zu, wie immer.
Ich schlaf hier, sagt sie. Und Jack … hier … und dann kann Saba … hier liegen. Genau zwischen mir und Jack.
Da werd ich hellhörig. Was?, frag ich. O nein! Ich geh rüber und nehm mein Bettzeug. Du liegst zwischen Jack und mir. Das ist besser, meinst du nicht? So … ähm … kannst du dich mit uns beiden unterhalten. Wie findest du das?
Aber Jack hat gesagt, das ist meine Aufgabe! Emmi stemmt die Hände in die Hüften. Er lädt die Pferde ab, du machst Feuer und ich die Betten. Stimmt doch, Jack?
So hab ich’s mir eigentlich gedacht, sagt er. Aber deine Schwester meint wohl, du bist der Aufgabe nicht gewachsen, Emmi.
Beide gucken sie mich an. Emmis Gesichtchen ist ganz verzerrt, wie immer, wenn sie verletzt ist und nicht will, dass ihr das Kinn zittert. Jack guckt ganz ausdruckslos, als wär es ihm völlig schnuppe. Ich trau ihm nicht übern Weg. Er weiß, dass ich nicht neben ihm liegen will. Aber das kann ich Em nicht sagen. Für sie sieht es so aus, als ob ich nur gemein zu ihr bin, wie immer. Als ob ich ihr mal wieder nichts zutrau. Diesmal hat er mich ausgetrickst.
Das ist nicht wahr, sag ich. Ich geb Em mein Bettzeug zurück. Natürlich ist es deine Aufgabe. Ich überlass es dir.
Emmi legt alles wieder so hin, wie sie es haben möchte, und ich geh zu Jack, der Ajax und Hermes ablädt.
Ich weiß, was du vorhast, sag ich. Aber daraus wird nichts.
Ach, ja? Er guckt mich nicht an, sondern häuft weiter Satteltaschen und anderes Zeug auf den Boden. Vielleicht sagst du mir einfach, was ich angeblich
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