Dying for You - Gefangen Im Albtraum
konnte nicht sagen, wie oft sie mit Sawyer auf dieser Anhöhe gesessen hatte, wie oft sie ihn betrachtet hatte, als er stumm zum Horizont blickte. Wie war es nur möglich, dass er nie die liebeskranke Bewunderung in ihren Augen bemerkt hatte? Vielleicht, weil sein Bruder in sie verknallt war und sie in all den Jahren immer wieder um eine Verabredung gebeten hatte? Sawyer sah in ihr die Freundin seines kleinen Bruders – aber das war sie nicht. Sie liebte Brenden als guten Freund, mehr nicht. Ihr Herz gehörte Sawyer. Das war schon immer so gewesen und würde immer so bleiben.
Die alte Kirche wurde nicht mehr genutzt und war, wie die anderen Kulturdenkmäler der Stadt, nur noch im Sommer geöffnet. Lucie blickte nach oben, zu Tobin’s Hill. Ihr Herz setzte kurz aus, als sie eine einsame Person neben der großen Eiche stehen sah. Sie verlangsamte ihren Schritt, strich ihr Sommerkleid glatt – es war weiß und hatte gelbe und lilafarbige Punkte – und warf einen prüfenden Blick auf ihre lavendelfarbig lackierten Zehennägel in den weißen Sandalen. Rasch fuhr sie sich mit der Hand durch ihre Lockenmähne, dann atmete sie tief ein und machte sich gemächlich an den Aufstieg zum Hügel.
Sie wollte nicht, dass Sawyer dachte, sie würde ihn verfolgen oder wäre absichtlich hergekommen, um ihn zu treffen – obwohl es so war. Aber sie hatte auch ihren Stolz und würde garantiert vor Scham sterben, wenn Sawyer sie lächerlich fände.
Er schien sie nicht zu hören, doch als sie nur noch ein paar Schritte von ihm entfernt war, drehte er sich zu ihr um und lächelte sie an.
„Hallo, Lucie Locket.“
Ihr Herz begann sofort wie wild zu klopfen. Niemand nannte sie Lucie Locket. Niemand außer Sawyer. Sie hatte ihm mal erzählt, dass ihre Mutter sie nach dem bekannten englischen Kinderreim benannt hatte, den sie so mochte. Allerdings buchstabierte sie den Namen ihrer Tochter nicht L-u-c-y, sondern L-u-c-i-e.
Lucie lächelte zurück und sagte: „Hi.“ Ich liebe dich. Ich
liebe dich. Ich will mich in deine Arme werfen. Ich will dich küssen. Ich will, dass du mich auch liebst.
„Was machst du hier, so mitten im Nirgendwo?“, fragte Sawyer.
„Ich komme oft her“, behauptete sie. „Um nachzudenken. Und manchmal auch nur, um zu träumen.“
„Du siehst heute ganz besonders hübsch aus. Bist du unterwegs zu einer Party, oder was?“
Ich habe mein neues Sommerkleid nur für dich angezogen. „Ich bin eine Frau, weißt du. Und deshalb mag ich es, schöne Kleider zu tragen und schön auszusehen, und zwar ganz ohne Anlass.“
Er begutachtete sie vom Scheitel bis zur Sohle. „Du bist echt erwachsen geworden, weißt du das? Du bist eine schöne Frau. Kein Wunder, dass Brenden über nichts anderes mehr spricht als über dich. Du solltest ihn wirklich von seinen Qualen erlösen und mit ihm ausgehen.“
„Brenden und ich sind nur gute Freunde.“
„Das sieht er aber anders.“ Sawyer feixte.
„Ich mag Brenden wirklich gern, keine Frage. Aber mehr ist da eben nicht.“
„Das tut mir leid für ihn.“ Sawyers Lächeln flackerte. „Ich glaube, du würdest ihm guttun. Er ist so launisch und emotional und sensibel, aber wenn er in deiner Nähe ist, scheint er glücklich zu sein, weniger besorgt. Eben so, wie ein Achtzehnjähriger normalerweise sein sollte.“
Ich würde fast alles für dich tun. Aber ich werde auf keinen Fall die Freundin deines kleinen Bruders, nur weil du das gerne hättest. Wie soll das gehen? Ich bin total verliebt in dich!
Lucie wandte sich ab und schaute hinunter ins Tal. Alles war frisch und grün, es war Frühling. Die Apfelbäume blühten und die Wildblumen auch. Und gleich unterhalb des Hügels sprudelte der kleine Tayanita River gurgelnd über die moosbedeckten Felsen im flachen Wasser.
Sawyer stand auf und stellte sich neben sie. Und so standen sie da, gemeinsam, minutenlang, und keiner von ihnen sagte ein Wort. Lucie wünschte sich, er würde ihre Hand nehmen, dann wäre sie glücklich. Das würde ihr fürs Erste reichen. Einfach die Berührung seiner Hand in ihrer zu spüren.
„Mein Vater wird sterben“, sagte Sawyer.
Lucie wirbelte herum und starrte ihn an. „Was? Aber Brenden hat gesagt...“
„Brenden weiß es nicht. Dad hat ihm von seinem Krebs erzählt, aber ihm die Prognose vorenthalten. Es ist inoperabel. Ihm bleiben längstens sechs Monate.“
„Oh, Sawyer, das tut mir so leid!“ Ohne groß nachzudenken, nahm Lucie seine Hand und drückte sie tröstend. Erst, als er
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