Dying to Live - Die Traurigkeit der Zombies (German Edition)
verzog meine Augenbrauen ein wenig, da der Leitspruch nicht unbedingt das war, was ich erwartet hatte, so anspruchsvoll er auch sein mochte. Natürlich hoffte ich, ihm gerecht geworden zu sein, als ich dort gearbeitet hatte, aber er kam mir so gewaltig vor, dass ich mir nicht sicher war, ob es überhaupt menschenmöglich war, dieses Versprechen zu erfüllen, zumindest nicht in einer Schule.
Ich sah wieder zu Will.
»Ich weiß nicht, ob du lesen kannst, Truman, aber das ist dein altes College. Ich bin neulich dort gewesen und hab’s mir angesehen.« Er warf den anderen einen Blick zu, die sich uns nun langsam stöhnend näherten. »Ein paar der Gebäude sind verfallen, aber ich habe ein Büro gefunden, in dem diese Broschüren waren. Sie waren in Kisten verpackt, deshalb sind sie noch lesbar. Es ist ziemlich weit weg, aber wenn du möchtest, können wir nächstes Mal dort hingehen.«
Während die ersten der anderen uns bereits erreicht hatten und mich anrempelten, um mich aus dem Weg zu schubsen, nickte ich ihm zu, äußerst gerührt von seiner Aufmerksamkeit. Will nickte ebenfalls, und dann entfernte er sich vom Zaun.
Ich bahnte mir einen Weg durch die Menge und ließ sie am Zaun zurück. Lucy kam mit mir, und wir zogen uns in unseren kleinen Lagerraum zurück und ließen uns gemeinsam auf unserem Sofa nieder. Ich klappte die Broschüre auf, um sie durchzulesen. Im Inneren befanden sich Bilder von mit Efeu bedeckten Ziegelhäusern und lächelnden, hübschen jungen Menschen jeglicher Herkunft. Mir fiel auf, dass sie weder blutig waren noch ein fehlendes Körperteil zu beklagen hatten. Sie hatten noch nicht einmal kleinere Mängel wie schiefe Zähne oder zerzaustes Haar – nicht ein Einziger von ihnen.
Während ich diese perfekten Menschen betrachtete, fragte ich mich, ob das Wissen oder der Charakter von einigen von ihnen dank mir gewachsen war. Ich fragte mich außerdem, wo sie nun wohl waren und ob irgendeiner von ihnen sich noch an irgendetwas erinnerte, was ich ihnen beigebracht hatte – angenommen, dass ich überhaupt als Lehrer dort gearbeitet hatte. Ich dachte an all die anderen Menschen, die mit uns auf dem Lagergelände waren, die weder sprechen noch lesen konnten und sich an so gut wie gar nichts zu erinnern schienen, und ich fragte mich, was ich überhaupt jemals bewegt hatte. Ich war dankbar dafür, dass Will so aufmerksam gewesen war, aber ich wünschte fast, er hätte mir die Broschüre nicht mitgebracht.
Lucy berührte meinen Arm und lehnte sich zu mir herüber, um zu sehen, was ich las. Sie legte den Kopf zurück, um mich anzusehen, und ich zeigte zuerst auf die Broschüre und dann auf mich selbst. Sie legte die Stirn in Falten und schüttelte den Kopf. Ich deutete auf meinen Bücherstapel neben dem Sofa, dann zu einem Foto mit einigen Büchern und dann wieder auf mich. Dieses Mal nickte sie. Sie legte ihren Finger auf meine Brust und führte ihn dann an ihre eigene. Ich legte die Broschüre zur Seite und nahm ihre Hand. Mit einem Finger meiner anderen Hand berührte auch ich zuerst ihre Brust und dann meine. Sie nickte und lehnte ihren Kopf an meine Schulter.
Nach einer Weile stand Lucy auf und holte ihre Geige. Als sie zu spielen begann, dachte ich daran, dass irgendein Lehrer es ihr beigebracht haben musste, wahrscheinlich vor vielen Jahren. Während ich mich zurücklehnte und einmal mehr die überwältigende Schönheit von Lucys Geigenspiel genoss, wurde mir mit einem Mal bewusst, dass die Arbeit als Lehrer mein äußerst bescheidenes Leben zumindest erträglicher gemacht, ja, mir sogar Freude beschert hatte, auch wenn sie vielleicht sonst nichts hatte bewirken können. Aber vielleicht waren ein paar meiner Schüler ja noch irgendwo dort draußen und taten etwas ebenso Schönes oder Gutes. Ich schätze, es war nur eine leise Hoffnung, aber an diesem Sommerabend reichte sie aus, um mir angesichts der Ereignisse des Tages ein gutes Gefühl zu verleihen, sodass ich ebenso glücklich und zufrieden neben Lucy sitzen konnte wie an den Abenden zuvor.
Kapitel 11
Nachdem ich mein Gelübde abgelegt hatte, standen nur noch ein paar Schultage an. Die kleineren Schüler hatten bereits frei, während wir Größeren unsere Abschlussprüfungen ablegten. Während der letzten Prüfung bei Mr. Caine betrat ein kleines Mädchen das Klassenzimmer und rannte auf ihn zu. Sie flüsterten miteinander, und dann rief Mr. Caine mich zu sich nach vorne.
»Zoey«, flüsterte er, »lass deine Arbeit auf deinem Tisch
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