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Dying to Live - Die Traurigkeit der Zombies (German Edition)

Dying to Live - Die Traurigkeit der Zombies (German Edition)

Titel: Dying to Live - Die Traurigkeit der Zombies (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Paffenroth
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liegen. Ich sammle sie nachher ein und bewahre sie für später für dich auf. Du musst deiner Mutter bei einer Entbindung helfen. Du sollst sie unten an der Straßenecke treffen. Viel Glück.«
    Ich nickte und verließ das Schulgebäude. An der Straßenecke sah ich Mom bereits auf mich zurennen.
    »Wer ist es?«, fragte ich sie, während wir zu laufen begannen, beinahe im Joggingtempo. »Wer liegt in den Wehen?«
    »Es ist Rachel«, antwortete Mom. »Miss Dresden.«
    Das hatte ich bereits vermutet. Ich wusste, dass es bei ihr bald so weit sein musste.
    »Zoey, denk daran, was ich dir gesagt habe. Rachel hat eine schwere Zeit durchgemacht. Wir sind nicht hier, um sie zu verurteilen. Sie braucht unsere Hilfe.«
    »Ich weiß, Mom.«
    Ich hatte Miss Dresden stets als eine der faszinierenderen Persönlichkeiten unserer Gemeinde wahrgenommen, auch wenn sie oft bekümmert wirkte. Sie war eine junge Frau, vielleicht neunzehn oder zwanzig. Außerdem war sie außergewöhnlich hübsch – jedenfalls hatte ich das immer gefunden: klein, etwas stämmig, aber muskulös und gut gebaut, mit vollen Hüften und Brüsten, Zähne und Haut perfekt, ein Streifen mit Sommersprossen am oberen Rand ihrer Wangen und bemerkenswerte rote Haare, die die Farbe von Herbstlaub hatten – kurzum: Sie war lebendig, kurvig und frei. Ihr Haar trug sie zwar länger als die meisten anderen Frauen, aber es reichte nur bis zu ihren Schultern und war somit kürzer als Moms. Sie lächelte und lachte viel, auch wenn sie dabei eher verschmitzt und hämisch wirkte als fröhlich, wie ich später oft dachte. Ihre Eltern waren beide beim ersten Ansturm der Toten vor zwölf Jahren getötet worden. Rachel hatte es geschafft, sich zu verstecken, bis sie schließlich die Menschen im Museum entdeckte, und dann war sie über die Mauer geklettert und hatte sich bei ihnen in Sicherheit gebracht.
    Wie viele andere in ihrem Alter hatte auch sie Schwierigkeiten gehabt, sich unserer Lebensweise anzupassen, jedenfalls mehr Schwierigkeiten als die meisten von uns, die entweder älter oder jünger waren als sie. Als ich noch klein war, war sie das wilde Mädchen gewesen, vor dem Eltern ihre Kinder warnten: Sie rauchte Maiszigaretten – oder sogar Marihuana, jedenfalls hörte ich, dass ein paar Leute ihr das unterstellten –, trug verdächtige Klamotten und grelles Make-up und blieb bis spät mit Jungs aus, von denen einige auch noch älter waren als sie. Da sie ständig in der Gesellschaft von Jungs oder Männern war, hatte sie gelernt, schwere Maschinen zu benutzen – Schaufellader, Gabelstapler und Bagger – und sie verbrachte einen Großteil ihrer Zeit damit, Holz oder andere Vorräte von der anderen Seite des Zaunes in die Stadt zu holen. Natürlich hatte sie die Tatsache, dass sie ständig mit Männern zusammen war, auch unausweichlich in die Situation gebracht, in der Mom und ich ihr an jenem Tag helfen mussten.
    Auch wenn meine Eltern mich zu bedachterem Verhalten erzogen, beschränkten sie die Schuldzuweisungen und verächtlichen Bemerkungen in Rachels Fall auf ein Minimum. Sie erklärten mir, Rachel fühle sich so allein und verletzt durch das, was geschehen war, dass sie versuchte, dieses Gefühl zu kompensieren, indem sie Risiken einging und sich inakzeptabel benahm. Das Entscheidende war jedoch, wie sie stets betonten, dass sie dabei niemals jemanden verletzte oder belog und dass ihr Verhalten daher nicht im eigentlichen, maßgeblichen Sinne unmoralisch war. Wenn sich jemand mit Ausgrenzung auskannte, dann ich, und deshalb lag es mir fern, sie zu verhöhnen oder zu kritisieren.
    Meine Mom hatte mir gesagt, Rachel wolle – oder, wie die Gerüchteköche versicherten, könne – den Vater ihres Kindes nicht benennen, aber das spielte für uns an jenem Tag keine Rolle. Sie war allein und hatte Schmerzen, und alles, was uns interessierte, war, wie wir ihr helfen konnten.
    Miss Dresdens Haus lag nicht weit von der Schule entfernt. Wir traten ohne anzuklopfen ein. An den Wänden hingen alte Rock-Poster, in einer Vase standen tote Blumen, und in jedem Fenster und in jeder Tür hingen Spitzen- oder Perlenvorhänge. Auf dem Beistelltisch neben der Couch lag eine große Pistole, und zwischen dem Tisch und der Couch lehnte eine Flinte an der Wand. Jemand hatte eine große Plastikblume in ihren Lauf gesteckt. Auf dem Kamin lagen ein Gewehr, eine Schachtel mit Munition und ein paar teils abgebrannte Kerzen, und darüber hing ein Poster von Jimi Hendrix vor einem

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