Dying to Live - Die Traurigkeit der Zombies (German Edition)
und sah einige an uns vorbeifliegen. Überall brummten und schwirrten Insekten. Ich sah sogar ein Reh, bevor es mit wenigen Sprüngen zwischen ein paar nahe stehenden Bäumen verschwand. Lucy schien von allem um uns herum begeistert zu sein. Als wir bereits ein gutes Stück gegangen waren, schloss Will zu uns auf und ging neben mir weiter, hielt aber nach wie vor ein wenig Abstand. Ich wusste, dass es schwer für ihn war, in unserer Nähe zu sein, weil wir anders waren. Ich verstand auch, dass er noch immer vorsichtig sein musste, da Lucy ihn immerhin schon einmal angegriffen hatte. Aber ich war froh, draußen zu sein, und ich war ihm sehr dankbar dafür, dass er sich solche Mühe gemacht hatte, um uns zu helfen und nett zu uns zu sein.
Wie Will es beschrieben hatte, befand sich das Lagergelände in der Nähe einiger anderer Gebäude – oder dem, was davon übrig war. Da sie ringsum von Asphalt umgeben waren, der das Pflanzenwachstum aufhielt, und die einzelnen Gebäude aus Betonblöcken, Ziegeln und Aluminium bestanden, waren die Lagerhäuser viel besser erhalten als viele andere. Die meisten der benachbarten Häuser waren aus Holz, und mindestens die Hälfte von ihnen war komplett oder zumindest teilweise eingestürzt. Ein paar schienen abgebrannt zu sein, sodass nur noch dreckige, rissige Schornsteine und skelettartige, rußgeschwärzte Holzbalken in den Himmel ragten. Aber auch sie konnten die Freude an diesem Frühsommertag kaum trüben, denn an den meisten Gebäuden waren wunderbar blühende Weinranken voller Sehnsucht nach Sonne emporgeklettert. Ich bedauerte zwar all die Menschen, die einst hier gelebt hatten und fragte mich, was wohl aus ihnen geworden war, aber hauptsächlich war ich dankbar für all die Schönheit um uns.
Bevor wir das Ende der kleinen Gruppe verfallener Häuser erreichten, kamen wir an einer ehemaligen Tankstelle vorbei. Sie hatte entschieden mehr Gewalt ertragen müssen als die anderen Gebäude. Sämtliche Fenster waren zertrümmert, und irgendwann war das Dach über den Zapfsäulen kollabiert. Unter dem Dach und rund um das Häuschen standen mehrere ausgebrannte Autowracks. »Das war vermutlich eine Tankstelle mit einem kleinen Lebensmittelladen«, erklärte Will. »Für ein paar Stunden muss das ein richtiges Schlachtfeld gewesen sein, als die Leute versucht haben, an das Benzin oder die Lebensmittel zu kommen. Aber dann war alles ganz schnell wieder vorbei. Und ihr habt gewonnen.« Ich war mir nicht ganz sicher, was er damit meinte und wusste auch nicht recht, wie ich seinen Tonfall deuten sollte, der gleichzeitig anklagend, traurig und resigniert klang – wie eigentlich die meiste Zeit.
Auf einen Teil des weißen Metallblechs des Dachs, der nach unten gebogen war, sodass man ihn von der Straße aus erkennen konnte, hatte jemand mit leuchtend orangener Farbe »TROCKEN« gesprüht. Will deutete darauf. »Wenn wir das gesamte Benzin aus einer Tankstelle geholt haben, kennzeichnen wir sie, damit niemand später noch Zeit damit vergeudet. Das ist einer der Gründe, weshalb ihr hier untergebracht seid – wir haben alles, was in irgendeiner Form nützlich für uns war, aus dieser Stadt geschafft, deshalb kommt jetzt niemand mehr hierher. Hier wird jetzt einfach alles im Erdboden versinken und von Pflanzen überwuchert werden. Eine ganze Stadt, einfach verschwunden. Natürlich sind die anderen auch alle so. Erinnerst du dich noch an die Stadt, in der du gewohnt hast, Truman?«
Ich schüttelte den Kopf. Aber ich fand es nett von ihm, dass er fragte.
»Ist schon komisch, dass du dich zwar an manche Sachen erinnerst, aber nicht an Dinge, die direkt mit dir in Verbindung stehen, zum Beispiel, wo du gelebt hast. Was ist mit dir, Blue Eye?«
Sie blieb stehen und betrachtete die Gebäude ringsum. Dann schüttelte sie den Kopf, streckte ihren Arm hoch und winkelte ihre Hand mit der Handfläche nach unten ab, so als wolle sie etwas beschreiben, das größer war als sie.
Ich glaubte, zu wissen, was sie meinte – wir hatten einen Weg gefunden, uns mithilfe ganz ähnlicher pantomimischer Darstellungen zu verständigen –, aber ich schaute zu Will hinüber, um zu sehen, ob auch er verstanden hatte.
»Du hast in einer Stadt gewohnt?«, fragte er. »In einem hohen Gebäude?«
Lucy nickte.
»Das muss die ganz große Stadt ein Stück östlich von hier gewesen sein. Dort haben wir dich gefunden. Dort hat Milton euch alle in den letzten Jahren zusammengesammelt, aber da sind noch so viele, dass
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