Dynamit im Kofferraum
breit geredet hatte über den
ehemaligen Freund seines verstorbenen Sohnes.
„An sein gewaltiges Vermögen
ist Emrod gekommen durch den Tod aller seiner Verwandten. Sie saßen im selben
Flugzeug — waren auf dem Weg zu einem Familientreffen in Udaipur. Das liegt in
Indien. Dort im Lake-Palace-Hotel wollten sie sich treffen. Es soll eins der
schönsten der Welt sein.“
„So was kommt für uns erst
später“, meinte Tim. „Wir zelten noch, wenn wir verreisen. Wissen Sie Emrods
Adresse?“
Petra wußte sie.
9. Ganoven
am Lurchwannen-See
Der Lurchwannen-See gilt als
einer der schönsten in den Landkreisen rund um die Großstadt. Er liegt im
Südosten, eingebettet in hügelige Landschaft, und mißt etwa vier Kilometer im
Umfang — ist also nur von mittlerer Größe.
Von der Internatsschule aus
könnte man ihn sehen — jedenfalls mit dem Fernglas. Aber ein breiter Streifen
Wald steht dazwischen.
Das nördliche Ufer, also
stadtwärts, ist mäßig bebaut: mit vier Grundstücken. Drei grenzen aneinander.
Jedes umfaßt nur etwa 1000 Quadratmeter Grund. Zwei Bungalows, ein Wohnwagen,
aufgebockt und ohne Räder. Das ist die Bebauung dort.
Das vierte Grundstück liegt
etwas entfernt hinter der Bucht Brachsenhöhle, womit eine Unterwasser-Grotte
gemeint ist. Es gehörte Dr. Fabian Emrod.
Auf 12 000 Quadratmetern — also
bis weit in die umliegenden Wiesen hinein — hatte sich der Krösus dort ein
ländliches Reich geschaffen: mit einem langgestreckten, L-förmigen Bungalow,
mit Swimmingpool, Naturkegelbahn, Mini-Golf und einem Gebäude, das von weitem
aussah wie der Hangar eines Flughafens. Aber nicht Flugzeuge standen in dieser
— eher flachen — Halle, sondern Oldtimer-Autos aller Fabrikate.
Emrod sammelte. Nicht wegen der
ständigen Wertsteigerung der betagten Schlitten, sondern aus krankhafter Liebe
zur Technik. Menschen mochte er nicht. Mit ihnen konnte er nicht umgehen. Vor
Tieren hatte er Angst — vor Spinnen, Hunden, Wespen. Also hängte er sein Herz
an totes Metall, betete Blechkutschen an und geriet jedesmal in einen Taumel
des Entzückens, wenn er einen seltenen Oldtimer erstehen konnte.
An diesem Spätnachmittag war
niemand zu Hause am Lurchwannen-See.
Meiers, denen der erste
Bungalow gehörte, kauften ein in der Stadt.
Petrolowskis, das Ehepaar aus
dem zweiten Bungalow, weilte noch auf Mallorca, ferienhalber.
Dieter Klümpe, der Kunstmaler
aus dem aufgebockten Wohnwagen — das Grundstück hatte Klümpe von seiner
Großmutter, einer Bäuerin, geerbt — lag im Krankenhaus. Eine Kreuzotter hatte
ihn gebissen. Er hielt die Schlange für eine Ringelnatter, tat also nichts gegen
das Gift in seiner Blutbahn und erlitt einen Kreislaufzusammenbruch, da er
ohnehin geschwächt war. Klümpe rauchte wie ein Schlot und trank täglich sechs
Flaschen Bier.
Auch Emrod war weg, wollte aber
abends zurück sein.
Mit seinem roten BMW 507, der
als Oldtimer schon eine Viertelmillion kostet, war er nach
Prinsenstadt-Neuschuppe gedüst, also in die 190 Kilometer entfernte Kreisstadt,
wo ihm ein Oldtimer-Sammler, zur Zeit in Geldverlegenheit, einen Porsche 356 A
1500 Speedster anbieten wollte — für schlappe 80 000 DM. Also ein Schnäppchen.
Emrod würde zugreifen — vorausgesetzt, der Flitzer war in gutem Zustand.
Emrods Bungalow war mit einer
Alarmanlage gesichert, der Hangar nicht. Aber am Eisentor, das auf Rollen lief,
waren zusätzlich Stahlketten angebracht mit schwerem Vorhängeschloß.
Der Tag neigte sich. In zwei
Stunden würde es dunkeln.
Pit Wratzka lenkte den
mächtigen Möbeltransporter.
Priske saß neben ihm, trug
jetzt Windjacke und Sonnenbrille, weil er das für angemessen hielt bei einem
Kommando-Unternehmen, wie er so was nannte.
Langsam rollte das Fahrzeug
über die Landstraße zum Lurchwannen-See.
Die Strecke war einsam. Niemand
begegnete ihnen. Nur in weiter Ferne, auf einem Feld, mühte sich ein Bauer ab
mit seinem Traktor.
Der Himmel war hoch und herbstblau.
Aber keine Schwalbe flog. Sie und andere Zugvögel waren schon abgereist in den
Süden.
„Gleich sind wir da“, sagte
Wratzka. „Dieser Koloß lenkt sich gar nicht so leicht. Ich bin nur an mein
Moped gewöhnt. Das ist vielleicht ein Unterschied.“
„Du hast doch hoffentlich einen
Führerschein.“
„Nee. Wieso?“
„Mensch!“ schnaubte Priske. „Du
setzt unser Leben aufs Spiel.“
„Aber, aber, Boss! Du merkst
doch, daß ich fahren kann. Ich kann auch einen Jumbo fliegen, wenn man mir
zeigt, wo das Gas ist
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