E-Bike Tour de Suisse (German Edition)
anzuschauen. Da gibt es schöne Blümchen, die ganz früh kommen, aber auch ganz schnell wieder verwelken. Und es gibt andere Blumen, die brauchen etwas länger. Dafür blühen sie dann aber auch ganz besonders lange und sind ganz besonders hübsch. Ich liebe Spätentwickler.“
Melanie kann seine Gedanken jetzt nachvollziehen. Seine Geschichte ist plausibel. „Ich gebe mich geschlagen. Du hast bei mir einen Wunsch frei.“
Und Martin strahlt sie herausfordernd an. „Ich will zunächst deine Geschichte hören. Davon mache ich meinen Wunsch abhängig.“
„Und ich will dir die Geschichte vom rätselhaften Tod meines Opas erzählen“, überrascht sie ihn.
Martin ist erstaunt. Er hätte sich lieber etwas Erotisches gewünscht und keine so langweilige Familiengeschichte mit Tod und Beerdigung. Aber er will sie nicht beleidigen und verärgern. Was da wohl kommen wird? „Ich bin gespannt auf deine Erzählung“, sagt er nur kurz.
Melanie und Martin setzen sich jetzt auf eine Bank im Restaurant und bestellen Cappuccino.
Melanie erzählt. „Ich war jung verliebt und zum ersten Mal mit meinem Freund im Urlaub“, fängt sie an zu erzählen. „Wir sind gerade mit dem Flieger gelandet und zuhause angekommen, da kriege ich auch schon einen Anruf von meinem Vater. ‚Opa ist ganz überraschend gestorben‘, höre ich von ihm. ‚In zwei Stunden ist Beerdigung‘. Ich war sprachlos. Meine Freund und ich, wir hatten gar keine Zeit mehr, um uns Trauerkleidung zu besorgen. Ich habe mir schnell ein dunkles Kleid angezogen, was ich gerade finden konnte, mein Freund einen dunklen Anzug. Dann ging‘s auch schon los zur Beerdigung. Wir waren alle schockiert. Soweit wir das wussten war Opa für sein Alter noch sehr gesund und rüstig. Mein Opa ist vor fast 15 Jahren gestorben, aber es bewegt mich immer noch.“
‚Na ja‘, denkt Martin, ‚das ist ja nun nicht ganz ungewöhnlich, dass der Opa ganz überraschend stirbt. Das kommt in den besten Familien vor. Was will sie denn damit sagen‘? Martin denkt das nur für sich, er will Melanie nicht ärgern. ‚Nimmt die Geschichte vielleicht doch noch eine interessante Wendung‘? Er schweigt und wartet ab.
„Auch die Trauergemeinde hat der überraschende Tod sehr bewegt. Meiner trauernden Oma wurde die aufrichtige Anteilnahme ausgesprochen. Sie war sehr gefasst. Sogar während der Beerdigung hat sie sich in Würde verhalten und war sehr selbstbeherrscht. Nach der Beerdigung, beim anschließenden Leichenschmaus, wollte natürlich jeder wissen, wie es zu dem plötzlichen Tode kam.“
Martin hört weiter andächtig zu. ‚Wann wird es denn nun spannend‘? fragt er wiederum nur für sich und mit persönlicher Ungeduld. Aber Melanie soll wenigstens für Unterhaltung sorgen, auch wenn die Geschichte langweilig ist. Bis sie den Cappuccino getrunken haben, wird die Story wohl reichen.
Melanie weiter. „Das war schon ganz eigenartig, wie mein Opa verstorben ist. Meine Oma hat es uns ausführlich erzählt, aber auch sie hatte ganz offensichtlich Schwierigkeiten, die Todesumstände zu verstehen. Sie war am späten Nachmittag beim Putzen der Wohnung, da klingelt es plötzlich bei ihr. Ein Mann steht vor der Tür, den sie gar nicht kennt. ‚Was will denn der‘? fragt sie sich. Er stellt sich vor. ‚Ich bin der Pfarrer und aus ihrer Kirchengemeinde. Ich weiß, sie kommen nicht oft zum Gottesdienst, deshalb kennen Sie mich vielleicht gar nicht. Es gibt einen wichtigen Anlass, dass ich Sie sprechen muss. Darf ich hereinkommen‘? Sie bittet ihn herein und bietet ihm einen Platz an. Er zögert mit dem Vorbringen seines Anliegens. ‚Die Polizei hat mich angerufen und mich gebeten, Ihnen eine traurige Mitteilung zu überbringen. Ihr Mann ist leider verstorben. Er wurde in der Fußgängerzone aufgefunden. Er war schon tot als er gefunden wurde. Man weiß nicht, wie das passiert ist. Die Polizei ermittelt gerade die Todesursache‘.“
„Für meine Oma war das natürlich ein Riesenschock. Ich muss zugeben, für die ganze Verwandtschaft war das genauso ein Riesenschock und für mich als seine Enkelin vielleicht ganz besonders. Ich habe Opa ja immer sehr gemocht. Jeder wollte natürlich die näheren Umstände des Todes erfahren. Man vermutete, dass es ihm in der Fußgängerzone schlecht geworden sei und er sich deshalb auf eine Bank gesetzt habe. Vermutlich dachten manche Leute, die an ihm vorbeigingen, dass er schläft. Irgendjemand kam es merkwürdig vor, wie er in verkrümmter Haltung
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