E-Bike Tour de Suisse (German Edition)
historischen Plätze der Schweiz nicht entgehen lassen, die sich am Ostufer des Urnersees befinden und will die Strecke mit seinem Velo packen. Aber es ist nun schon 7 Uhr am Abend. Er braucht dringend eine Rast. Er stärkt sich mit Brot, Käse und einer Flasche Milch.
Er fährt also am östlichen Ufer am See entlang. Durch viele Tunnels und Galerien führt der Weg nach Brunnen. Martin wird angenehm überrascht, dass die Schweizer teilweise nur den Autoverkehr durch Tunnels führen und dort, wo es technisch machbar ist, die Fußgänger und Velofahrer im Freien zwischen See und Berg entlang schleusen. Das gibt schöne Ausblicke auf die steilen Bergabhänge zum See hinab. Es gibt dort auch eine Bahnlinie. Die bekommt Martin aber kaum zu sehen. Sie führt überwiegend in Tunnels durch die Berge von Flüelen nach Brunnen.
Wanderweg um den See zur 700-Jahr –Feier der Eidgenossenschaft
Zwischen Flüelen und Brunnen etwa 3 km südlich von Sisikon findet er die Tellskapelle. Sie liegt an der Tellsplatte, wo gemäß der Sage Wilhelm Tell vom Boot des Landvogts Gessler gesprungen sein soll. Bereits 1388 wurde hier eine Kapelle errichtet; die heutige Kapelle wurde 1879/1880 erbaut. Sie ist mit vier Fresken des Basler Malers Ernst Stückelberg ausgeschmückt und zeigt den Rütlischwur, den Apfelschuss, den Tellsprung und Gesslers Tod in der Hohlen Gasse. Permanent begegnet Martin auf dieser historischen Route die Geschichte des Entstehens der Schweiz.
Vierwaldstättersee bei Tellsplatte
Auf seiner weiteren Fahrt nach Brunnen sieht er das Rütli auf der anderen Seite des Sees. Es ist für alle Schweizerinnen und Schweizer mit der Gründungsgeschichte der Schweiz verbunden. Für die einen ist es, genährt vom eindrücklichen Drama ‚Wilhelm Tell‘ von Friedrich Schiller, der geschichtsträchtige Ort, an dem 1291 der Bund der Eidgenossen beschworen wurde. Für andere ist es eine bedeutungslose Wiese. Dazwischen gibt es viele Vorstellungen. Der Rütlischwur ist ein Element einer Geschichtserzählung des ausgehenden 15. Jahrhunderts, die im Zuge der Entstehung moderner Nationalstaaten zu einem Schweizer Nationalmythos ausgebaut wurde. Gemäß dieser Geschichte schlossen Vertreter von Uri, Schwyz und Unterwalden auf dem Rütli, einer Wiese am Vierwaldstättersee, per Eid einen gegen die Habsburger ‚bösen Vögte‘ gerichteten Bund. Martin erlebt auf dieser Strecke immer wieder, wie für die Schweizer diese historische Geschichte immer präsent ist und ihr Nationalbewusstsein prägt.
Martin fährt weiter. Kurz vor Brunnen wird es Nacht und es beginnt wieder zu regnen. Wieder sind seine beiden Akkus aufgebraucht, also sowohl sein E-Bike Akku als auch sein persönlicher Akku. Er fährt in Brunnen ein und geht dann gleich zum Hafen. Er sieht wie der Raddampfer in den Hafen einfährt und freut sich, dass ihn das Schiff gleich nach Beckenried mitnehmen wird.
Der Kapitän beschert ihm aber eine herbe Enttäuschung. „Wir machen jetzt Feierabend“, sagt er ihm. „Heute fährt kein Schiff mehr nach Beckenried. Sie können nur probieren, ob sie ein Bootstaxi finden, das sie jetzt noch hinüberfährt. Oder Sie übernachten in Brunnen.“ Er gibt ihm die private Telefonnummer des Taxifahrers. Inzwischen gießt es in Strömen. Das macht alles keinen Spaß mehr.
Er versucht den Fahrer des Bootstaxis zu erreichen. Leider Fehlanzeige. „The number you are calling is not available at present“, kriegt er zur Antwort.
Er ruft Emmanuelle auf ihrem Natel an. „Wir können uns erst morgen früh treffen. Ich komme nicht mehr über den See rüber“.
Emmanuelle ist schwer enttäuscht. „Du willst doch hoffentlich nicht kneifen?“. Ich will deine Geschichte unbedingt hören. Und alleine schlafen hätte ich auch bei mir zuhause in Bern können. Das ist alles nicht so toll“. Aber was sollen sie und er machen? Schade. Er hofft, sie verzeiht ihm das. Es ist jedenfalls kein Ruhmesblatt für ihn.
„Ich werde es morgen wieder gut machen“, versucht Martin sie zu trösten.
Er sucht in Brunnen nach einem Zimmer. Auch hier sind alle Hotels ausgebucht. Schließlich bekommt er noch einen Platz in einem Familienzimmer mit drei Doppelstockbetten angeboten. ‚Oh Gott‘, denkt er. ‚Was wird das wohl werden? Kriege ich da noch das letzte freie Bett bei einer 5-köpfigen Familie mit schreiendem Baby? Muss ich mir das Zimmer mit zwei Liebespaaren auf Partnertausch-Event teilen? Oder sind da fünf Kinderkrankenschwestern-Schülerinnen auf
Weitere Kostenlose Bücher