E-Bike Tour de Suisse (German Edition)
leer wird, steigt er vorsichtshalber bei sehr hohen Steigungen ab und schiebt. Da hat er die Schiebetaste an seinem E-Bike wieder sehr vermisst.
Gotthardpass: Spitzkehren zum Gipfel
Oben angekommen wird er in italienischer Sprache angesprochen, ob er ein Familienfoto machen könne. Als die ihn ansprechende Mama merkt, dass er italienisch nur schwer versteht, spricht sie gleich darauf perfekt auf Schwyzerdytsch. Man ist hier mehrsprachig. Martin macht er erst mal Mittagspause in der Albergo San Gottardo und besucht das Museo Nazionale del San Gottardo.
Die Gotthardstraße ist nicht der älteste Übergang nach Italien. Erst nachdem die Schöllenenschlucht im 13. Jahrhundert für Saumtiere begehbar gemacht wurde, konnte sich der Handelsverkehr entwickeln. Der Gotthardpass, italienisch Passo del San Gottardo, war also erst ab dem 13. Jahrhundert eine der wichtigsten Nord-Süd-Verbindungen über die Alpen. Ohne diesen begehrten Übergang wäre es auch für die Kantone Uri, Schwyz und Unterwalden schwieriger gewesen, die Unabhängigkeit von den Habsburgern zu erlangen. Inzwischen hat der Gotthardtunnel den größten Teil des Verkehrs übernommen.
Martin ist schneller als die Historische Reisepost
Bislang verband Martin mit dem St. Gotthard vor allem die Passstraße mit seinen eindrucksvollen Engstellen. Nun sieht er auch das grandiose Bergmassiv, das in wenig zerklüfteten, rund 3000 m hohen Berggipfeln kulmuniert.
Martin fährt auf der historischen Route weiter. Die geht nochmal kurz bergauf. Am höchsten Punkt angekommen fängt die Akku Anzeige an zu blinken und zeigt ihm damit an, dass er auf Reserve fährt. Nun muss er stromsparend fahren. Aber ab jetzt geht es über das historische Kopfsteinpflaster im Regen bergab. Die warme Regenjacke hat er ja schon an, aber die fehlenden Handschuhe lassen Finger und Hände erstarren.
Abwärts geht’s schneller
In Andermatt macht er Pause für einen Cappuccino. Er ist jetzt im Kanton Uri angekommen, einem der schweizer Ur-Kantone. Der Name Andermatt bedeutet ‚An der Wiese‘. Der Ort liegt in einer kargen Senke des Urserentals an der Kreuzung der Gotthard-, Furka- und Oberalp- Pässe. Es ist ein wichtiger Verkehrsknoten. Auch der Glacier-Express hält hier.
Nach Andermatt geht es dann wieder im Regen weiter abwärts, steil bergab durch die Schöllenenschlucht. Im 13. Jahrhundert wurde ein kühner Pfad durch die Schlucht gebaut und damit der Weg zum Gotthardpass freigemacht. Der alte Saumpfad ist heute noch begehbar, aber nur mit Bergerfahrung und Wagemut. Die erste Brücke auf diesem Saumpfad wurde der Legende nach mit Hilfe des Teufels erbaut. Er soll dafür die Seele des ersten Passanten gefordert haben, welcher die Brücke überschreitet. Die Urner erwählten einen Ziegenbock, der gezwungenermaßen seine Seele opfern musste. Die Teufelsbrücke von 1830 ist heute den Fußgängern vorbehalten. Von ihr aus kann man auf die Reuss blicken, die hier einen schäumenden Wasserfall bildet.
Martin fährt weiter über die Schöllenenschlucht vorbei am Teufelsstein und über Göschenen nach Amsteg. In Amsteg ist der steile Abstieg vom St. Gotthardpass beendet, ab hier geht es relativ eben weiter. Er passiert die Baustelle für den Gotthard-Basis-Tunnel. Hier sollen ab 2013 die Züge mit 250 km/h durch den Gotthard brausen. Der Baustellenweg bei Silenen vermittelt Martin einen Eindruck von dem gigantischen Bauwerk, das die Schweizer hier in Angriff genommen haben.
Züge durchbohren die Berge bei der Schöllenenschlucht
Schließlich kommt er nach Erstfeld. Die Gemeinde ist stark geprägt durch den Verkehr. Mit dem Nordportal des längsten Eisenbahntunnels der Welt, dem neuen Gotthard-Basistunnel, beginnt hier zukünftig der Transitverkehr über die Alpen im Berg zu verschwinden. Erstfeld liegt in der Mitte zwischen zwei Großbaustellen der sogenannten ‚Neuen Eisenbahn-Alpentransversale‘, der ‚NEAT‘. Der neue Tunnel wird 57 km lang sein und im Jahre 2016 in Betrieb gehen. Die Ausfahrt ist in Bodio im Tessin. Damit kann man dann in 2 Stunden und 40 Minuten von Zürich nach Mailand gelangen. Der Abraum und Aushub aus diesem neuen Tunnel hat zusammen etwa das fünffache Volumen der ägyptischen Cheopspyramide erreicht und vermittelt einen Eindruck von dem gewaltigen Bauprojekt.
Über Attinghausen und Altdorf gelangt er schließlich zum Vierwaldstättersee, genauer gesagt, zunächst zum Urnersee, wie der See zwischen Flüelen und Brunnen heißt.
Der Vierwaldstättersee
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