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E-Book - Geisterritter

E-Book - Geisterritter

Titel: E-Book - Geisterritter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Funke
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noch zwei weitere Nächte bei Zelda übernachten zu lassen. Danach telefonierte er eine Stunde mit meiner Mutter, die die Popplewells natürlich schon angerufen und in Alarmzustand versetzt hatten. Das Leben wird sehr kompliziert, wenn man nicht einfach die Wahrheit erzählen kann. Bitte entschuldigen Sie Jon Whitcrofts Abwesenheit. Er musste seine beste Freundin retten und einen alten Familienfluch aus der Welt schaffen . Wir alle hätten viel darum gegeben, wenn Zelda mir einfach einen solchen Entschuldigungsbrief hätte schreiben können.
    Als ich am nächsten Morgen die Augen aufschlug, starrte eine Kröte von der Sofalehne auf mich herab, und es roch nach Pfannkuchen.
    »Nach so einer Nacht kann man nicht zur Schule gehen!«, verkündete Zelda, als ich in die Küche stolperte. »Ich habe Mrs Tinker schon angerufen und behauptet, dass ihr zwei einen verdorbenen Magen habt, weil Matthew euch zu viele Süßigkeiten hat essen lassen. Sie weiß ja nicht, dass er Zahnarzt ist.«
    Der Vollbart machte sich gut als Ausrede. Ich dachte gerade darüber nach, wie ich das in Zukunft nutzen konnte, als er in die Küche humpelte. Er sah wirklich reichlich ramponiert aus, aber daran lag es nicht, dass ich ihn fast nicht erkannte. Er hatte sich rasiert.
    »Ich hab mich heute Morgen einfach so anders gefühlt«, sagte er, während er sich den Pfannkuchen zwischen die makellosen Zähne schob. »Der Bart passte nicht mehr.«
    Ella gab ihm einen Kuss auf die kahl rasierte Wange, aber ich war nicht sicher, ob mir sein Gesicht so besser gefiel, und ich beschloss, ihn einstweilen weiter den Vollbart zu nennen (ich tue es immer noch). Allerdings musste ich zugeben, dass die Narbe auf seinem Kinn wirklich beeindruckend war und ich es bei ihrem Anblick fast bereute, dass Stourton keine sichtbaren Spuren in meinem Gesicht hinterlassen hatte.
    Als ich Ella nach dem Frühstück endlich erzählte, wie der toteChorist mir in der Schulkapelle erschienen war, hörte sie, wie üblich, mit so unbeeindruckter Miene zu, dass mich allein das schon beruhigte.
    »Du musst es Longspee erzählen!«, sagte sie. »Ich bin sicher, er kann alles erklären!«
    »Und dann?«, gab ich zurück. »Er reimt sich doch bestimmt zusammen, dass ich ihn nicht eher gerufen habe, weil ich dem Mistkerl geglaubt habe!«
    Der Blick, den ich dafür erntete, war ein Jon-Whitcroft-da-musst-du-wohl-durch-Blick.
    »Schon gut«, murmelte ich. »Kommst du wenigstens mit, wenn ich mit ihm spreche?«
    »Sicher«, sagte sie. »Schließlich muss ich mich noch für gestern Nacht bedanken!«
    Ella wollte sich wieder in der Kathedrale einschließen lassen, aber als sie das Zelda erzählte, erntete sie nur ein sehr strenges Stirnrunzeln.
    »Kommt überhaupt nicht infrage. Keine nächtlichen Ausflüge mehr für euch zwei«, sagte Zelda, »zumindest nicht ohne Begleitung«, und besorgte von einem der Führer in der Kathedrale Schlüssel für das Tor zum Domhof und eine Seitentür des Gebäudes.
    »Er ist ein alter Verehrer von ihr«, flüsterte der Vollbart uns zu, als Zelda die Schlüssel stolz auf den Küchentisch warf. »Angeblich hat er ihren Namen in mindestens drei Säulen der Kathedrale geritzt und ihretwegen nie geheiratet!«
    Ella versuchte, ihre Großmutter zu überreden, uns wenigstensallein mit Longspee sprechen zu lassen, aber Zelda schüttelte darauf so energisch den Kopf, dass ihr die Brille verrutschte.
    »Unsinn!«, sagte sie, als wir uns in ihr Auto zwängten. »Was, wenn er doch ein Mörder ist? Keine Diskussion. Ich verspreche, ich lass mich nur sehen, falls ihr um Hilfe schreit.«
    Die Kathedrale fühlte sich an wie ein alter Freund, als wir uns kurz nach dem Abendgesang durch die Seitentür hineinschlichen. Zelda wartete hinter einer Säule neben dem Taufbrunnen, während Ella und ich nach vorn zu Longspees Sarkophag gingen.
    Es schien so lange her, dass ich zum ersten Mal hergekommen war. Seither war so viel passiert, dass es mir schien, als hätte ein anderer Junge William zu Hilfe gerufen.
    Was sollte ich sagen? Wie konnte ich ihm in die Augen sehen, nachdem ich ihn verdächtigt hatte, ein Mörder zu sein? Der Mörder eines Jungen, der kaum älter als ich gewesen war.
    Ich fühlte seine Gegenwart, noch bevor ich seine Stimme hörte.
    »Also … warum hast du mich erst gerufen, als es schon fast zu spät war, Jon?«
    Er erschien zwischen den Säulen, als hätte er auf mich gewartet.
    Ich senkte den Kopf und schmeckte die Worte, die der Chorist gesagt hatte, wie Gift

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