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E-Book - Geisterritter

E-Book - Geisterritter

Titel: E-Book - Geisterritter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Funke
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vergessen, dass er Menschen nicht anfassen konnte. Selbst, wenn sie so hübsch wie Ella waren.
    »Ich hab das Herz an einem sicheren Ort versteckt!«, raunte er Ella vertraulich zu. »Es ist gar nicht weit von hier.«
    Also hatte er es nicht wieder in Stonehenge vergraben. Ella verbarg ihre Überraschung meisterhaft.
    »Gut. Zeig es mir.«
    Aleister schüttelte den Kopf.
    »Es muss erst dunkel sein. Meine Haut juckt abscheulich, wenn sie allzu viel Tageslicht abbekommt.«
    Ella warf einen Blick zu den bunten Glasfenstern der Kapelle.
    »Aber das dauert noch etliche Stunden«, stellte sie fest. »Warum sagst du mir nicht einfach, wo du es versteckt hast, und ich hol es?«
    Es war ein netter Versuch, aber so dumm war Aleister nun auchwieder nicht. Sein verschlagenes Lächeln war auf der Stelle zurück.

    »Nein, nein, ich will es dir schon selbst zeigen, meine Hübsche!«, schnurrte er. Seine Stimme klang zu albern mit dem kleinen Echo, das sie hatte. »Warte einfach hinter der Schule auf mich, sobald es dunkel wird!«
    »Na gut.« Ella brachte tatsächlich ein erwartungsvolles Lächeln zustande. »Nur eine Frage noch. Hast du keine Angst, dass der Ritter eines Tages hier auftaucht und sein Herz zurückverlangt?«
    Aleisters Lachen war so hämisch, dass ein Blitzstrahl vom Himmel die einzig passende Antwort gewesen wäre, aber selbst in einer Kapelle arbeitet die himmlische Gerechtigkeit wohl leider nicht mit solchen Mitteln.
    »Der arme Hund kann die Kathedrale nur verlassen, wenn ihn jemand um Hilfe ruft«, kicherte er. »Das hat er seinem eigenen albernen Schwur zu verdanken!«
    »Wie dumm von ihm!« Der Blick, den Ella dem kleinen Mistkerl zuwarf, verriet ihren Abscheu mehr als deutlich, aber im nächsten Moment lächelte sie Aleister wieder auf die süßeste Ella-Weise an.
    »Also gut!«, sagte sie. »Dann sehen wir uns nach Sonnenuntergang.«
    Der Vollbart hatte keine allzu gute Zeit gehabt (»Himmel, diese Lehrerin hat mir von jedem faulen Zahn ihrer Kollegen erzählt!«, stöhnte er, als wir ihn wieder vor der Schule trafen), und als wir ihm erzählten, dass wir noch mal zur Schule zurückmussten, sobald es dunkel wurde, war er alles andere als begeistert. Er bestand darauf, uns Gesellschaft zu leisten, bis es so weit war. Also erlaubten wir ihm, uns zu einem Eis auf der High Street einzuladen, aber als es endlich dunkel wurde und wir wieder vor dem inzwischen abgeschlossenen Schultor standen, machte Ella ihm sehr deutlich, dass wir alles Weitere allein erledigen mussten. Er spielte den verantwortungsvollen Quasi-Vater und versuchte, mit uns zu diskutieren. Aber schließlich streckte er die Waffen vor der Tatsache, dass wir diesmal nur einen Geist treffen wollten, der fast einen Kopf kleiner war als Ella.
    Der Bischofspalast sah im Mondlicht wirklich nicht wie eine Schule aus, und während ich Ella über das schmiedeeiserne Tor nachkletterte, malte ich mir aus, wie Aleister nachts durch die leeren Korridore strich und von Streichen träumte, die er längst toten Lehrern und Mitschülern gespielt hatte.
    Die Wiese hinter der Schule, auf der wir tags Fußball und Rugby spielten, sah ohne das übliche Kindergedränge so fremd aus wie der Mond.
    »Was machst du noch hier?«, raunte Ella mir zu, als ich unschlüssig neben ihr auf dem Rasen stehen blieb. »Versteck dich, bevor er dich sieht!«
    Ich hasste es, sie allein zu lassen. Der Mond verschwand hinter einer Wolke und die Nacht wurde plötzlich sehr dunkel. Aber Ella hatte natürlich recht. Also suchte ich mir ein Versteck in den Büschen, die vor dem Schulgebäude wuchsen, und hoffte, dass Aleister sie an einen Ort führen würde, an den ich ihnen unbemerkt würde folgen können.
    Zum Glück war der kleine Dreckskerl viel zu erpicht darauf, Ella wiederzusehen, um sie lange warten zu lassen. Sie war vielleicht ein Dutzend Mal auf dem Rasen auf und ab gegangen, als sich eine weißliche Gestalt aus den Schulmauern löste und auf sie zuschritt. Ja, Geister schweben nicht, sie gehen, auch wenn das ein ziemlich seltsamer Anblick ist, weil sie das oft mehr als eine Handbreit über dem Boden tun.
    Ich konnte nicht verstehen, was die beiden miteinander sprachen. Ich sah nur, dass Aleister Ella mit seinem bleichen Geisterkörper allzu nahe kam, wofür ich ihn zu gern noch einmal aus einem Fenster geschubst hätte. Als sie über die Wiese davonschritten, konnte ich mich nur schwer beherrschen, nicht auf der Stelle aus meinem Versteck zu springen und ihnen nachzulaufen.

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