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E-Book - Geisterritter

E-Book - Geisterritter

Titel: E-Book - Geisterritter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Funke
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hatte, ihm die Glieder. William aber leuchtete so hell wie das weiße Herz einer Flamme, und es war mir egal, was der Chorist erzählt hatte. Ich sah nur das Licht und war wieder Longspees Knappe, was immer er getan hatte, was immer ihn auf Erden hielt.
    »Ella, lauf!«, rief ich. »Ich bleib bei ihm.«
    Aber natürlich rührte sie sich nicht. Ich versuchte, sie zur Treppe zu zerren, aber sie ist noch heute stärker als ich.
    »Lass mich!«, stieß sie hervor. »Hast du nicht gehört, was Stourton gesagt hat? Jon, DU musst ihn umbringen! Du bist der Hartgill, der ihn zur Hölle schicken wird!«
    »Ach ja?«, gab ich atemlos zurück. »Und wie soll ich das anstellen?«
    Ich sah Ella an, dass sie darauf auch keine Antwort hatte.
    Stourton bleckte die verrotteten Zähne wie einer seiner Hunde, aber sein Schwert war leichter als Longspees, und er wehrte es ohne Mühe ab.
    »Was macht ihr noch hier, Jon? Verschwindet!«, rief William mir zu, während er einen weiteren Hieb abwehrte.
    Aber wir rührten uns nicht.
    DU musst ihn umbringen, Jon.
    Sie schienen eine Ewigkeit zu kämpfen – zwei Geister, der eine so dunkel, der andere so hell. Es gab keine Zeit mehr, nur die zwei Männer, die nicht sterben konnten, und Ella und mich. Schließlich trieb Longspee Stourton gegen die Mauer und stieß ihm das Schwert ins Herz. Aber der Seidene Lord streifte erneut eine bleiche Hülle ab, und nahm Gestalt in einer weiteren an, blutrot über seinen bleichen Knochen.
    »Ich habe viele Häute, edler Ritter«, höhnte er. »Und all das Blut, das ich vergossen habe, hat sie nur haltbarer gemacht. Was ist mit dir? Kehr in deine Gruft zurück, bevor ich dir deine edle Hülle zerschneide und dich in der Hölle zu meinem Diener mache. Du bist so blass als Geist, wie du es als Lebender gewesen bist. Hilfloser Bastard. Machtloser unter mächtigen Brüdern!«
    Er hieb sein Schwert mit solcher Wut gegen Longspees Schild, dass William stolperte und Stourtons Klinge ihm tief in die schimmernde Schulter fuhr. Licht strömte aus der Wunde wie verdampfendes Blut und ich stolperte mit einem Wutschrei auf die beiden Kämpfenden zu.
    Diesmal wartete ich nicht auf Longspees Erlaubnis. Ich trat geradewegs in sein Licht. Ich spürte, wie mein Fleisch sein Fleisch wurde, bis ich groß und stark war und den Schwertknauf in meiner Hand hielt. Ich war Jon und ich war William. Ich war Longspee und Hartgill. Ich war Mann und Junge, Ritter und Knappe, voll Angst und furchtlos zugleich, jung und fast tausend Jahre alt, alles in einem. Ich fühlte mein Herz in seiner Brust schlagen, seine Erinnerungen zu meinen, meine die seinen werden, und als ich den Mund öffnete, hörte ich Longspees Stimme meine Worte sagen:
    »Nun trag ich den richtigen Namen, Seidener Lord, und all deine blutgetränkten Häute können dich nicht vor mir schützen: Ein Hartgill wird dich zur Hölle schicken, mit William Longspees Schwert.«
    Stourton hob mit einem heiseren Schrei das Schwert, doch ich sah die Angst in seinen Augen, und ich griff ihn an, mit Longspees Kraft und meiner Wut, mit Longspees Arm und meiner Liebe, für ihn und für Ella, die immer noch hinter uns stand und nicht fortlief und sich nicht versteckte.
    Stourton schlug mein Schwert zur Seite, aber ich trieb ihn zurück, Schritt für Schritt, Hieb für Hieb. Und dann stieß ich ihm die Klinge so tief in die Brust, dass sie in die Mauer hinter ihm fuhr. Seine Haut welkte wie die Blätter einer grässlichen Blüte und seine brennenden Augen erloschen. Aber ich holte noch einmal aus und schlug ihm den Kopf vom knochigen Hals. Ich wusste nicht,welcher Hass mich trieb, ob es nur meiner war oder auch Longspees.

    Ellas Stimme brachte mich wieder zu Verstand. »Jon!« Sie rief meinen Namen, aber auch den von Longspee, und ich ließ das Schwert sinken und fiel zitternd auf die Knie, während Stourtons Gestalt vor mir zerfiel, Hülle für Hülle, zerstört von Longspees Licht und meinem Namen. Und plötzlich war ich wieder ein Junge, der auf demselben Steinboden kniete, auf dem einst William Hartgill gekniet hatte, als er darauf gewartet hatte, dass sein Sohn ihn vor dem Mann rettete, den ich nun getötet hatte.
    Ella schlang die Arme um mich, und als ich hochblickte, sah ich Longspee an der Mauer lehnen. Er sah so sehr wie ein lebender Mann aus, dass ich für einen Moment nicht glauben konnte, dass er schon vor vielen Hundert Jahren gestorben war.
    »Jon Whitcroft«, sagte er. »Ich glaube, du bist kein Knappe

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