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e-Motion

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Titel: e-Motion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erica Orloff
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arbeitete ich noch länger und noch härter. Helen nahm mich deswegen mehrfach ins Gebet, trotzdem hat sie nie ernsthaft versucht, mich zum Aufgeben zu bewegen. Die heilige Helen nahm jeden so, wie er war. Lou war da wohl eher etwas pragmatisch: „Kind, das Einzige, was dich dazu bringen könnte, eine Spur langsamer zu machen, wäre ein zweiter Herzinfarkt – sofern du den ersten überlebst.“ Lou war schon immer sehr direkt.
    Ich atmete die Seeluft ein. Der Strand war fast menschenleer, und ich spürte, wie mein Pulsschlag etwas ruhiger wurde. Ich dachte an meinen Vater.
    „Die Geschichte ist gut, Cassandra. Sehr gut. Ich werde sie für dich abtippen, und du kannst sie illustrieren. Und wir werden sie für immer aufheben. Ich werde sie für dich aufheben, mein Engel.“
    Er hob mich auf seinen Schoß, und ich schlang meine Arme um seinen Nacken, roch den Duft seines Royal Copenhagen Rasierwassers. Ich spürte seinen steifen Hemdkragen. Er strich mir mit der Hand über das Gesicht und wickelte sich eine Strähne meines Haars um den kleinen Finger, die er sich dann ganz genau anschaute.
    „Ich weiß schon, ich sollte das vielleicht nicht sagen, aber manchmal bin ich froh, dass ich dich nicht mit deiner Mutter teilen muss, Cassie. Ich komme von der Arbeit nach Hause, und du läufst auf mich zu, eine Wolke von Johnson’s Baby Shampoo umgibt dich, und dein Überschwang, deine Umarmungen gelten mir allein. Mir allein. Dennoch hättest du mehr verdient. Die Berührung einer Mutter. Beide hätten wir mehr verdient.“
    Er drückte mich eng an sich, und ich spielte an den Manschettenknöpfen mit seinen Initialen herum, JJH. Mein Vater starrte aus dem Fenster. Draußen auf der Park Avenue tobte der typische Fünf-Uhr-Feierabendverkehr. Aber mein Vater sah weder die Autos noch mich oder unser Apartment. Er sah sie, ich wusste es. Vor seinem inneren Auge. Ich war damals sechs Jahre alt und erinnere mich, dass ich dachte, wie alt er für diesen kurzen Moment ausgesehen hatte.
    „Stört es Sie, wenn ich Ihnen Gesellschaft leiste?“
    Roland riss mich jäh aus meinen Gedanken. Ich hatte ihn nicht kommen hören.
    „Ganz und gar nicht.“
    „Ich habe Lou gefragt, ob ich Ihnen mit meiner Bitte, bei mir zu wohnen, während wir an dem Text arbeiten, auch nicht zu nahe trete. Aber er meinte, es würde Ihnen nichts ausmachen.“
    „Ach ja?“ Ich zog eine Augenbraue hoch.
    „Er hat gesagt, Sie seien nicht verheiratet, Ihnen wäre der Glückliche noch nicht begegnet und …“
    Ich musste lachen. „Mr. Riggs … Roland, ich bin mir sicher, dass das nicht genau seine Worte waren.“
    Er blieb stehen, grinste und warf mit den Zehen kleine Sandhäufchen auf.
    „Sie haben Recht. Nicht genau.“
    „Was hat er denn
genau
gesagt?“
    „Ich weiß nicht mehr richtig …“
    „Nun kommen Sie schon. Es wird nichts sein, was ich nicht schon kenne.“
    Roland machte eine Pause, um herauszufinden, ob ich wirklich die Wahrheit hören wollte. „Lou hat gesagt: ‚Cassie? Der könnte man noch nicht mal seinen Goldfisch anvertrauen. Verheiratet? Eher nicht. Außer ihrem Vater hat sie nichts, das sie hier hält. Sie kommt.‘“
    „Ich mag Lou, wenn er so ist.“
    Rolands Augen funkelten. „Sie … Sie halten mich also nicht für verrückt, weil ich Sie darum bat, herzukommen?“
    „Nein … das tue ich nicht.“ Ich sah in sein faltiges, von der Sonne gebräuntes Gesicht.
    „Cassie, Sie sind eine ganz schlechte Lügnerin.“
    „Bin ich nicht. Ich habe ein erstklassiges Pokerface, müssen Sie wissen.“
    „Hm. Na gut, dann halten Sie mich also nicht für verrückt.“
    „Natürlich nicht.“
    „Schön. Freut mich, dass Sie das auch so sehen. Wir treffen uns dann zum Essen.“ Damit machte er kehrt und ging zurück in Richtung Haus. „Übrigens“, drehte er sich noch einmal um, „hören Sie gern Musik?“
    „Durchaus. Denken Sie an was Bestimmtes?“
    „Oh … ich weiß nicht. Klassik. Opern. Hip Hop,
Disco
.“
    Erwartungsvoll sah er mich an.
    „Disco? Na ja … Ich bin mit den Bee Gees groß geworden, aber es ist nicht so, dass ich sie heute noch andauernd hören müsste.“
    „Ah! Doch als Sie an der High School waren, fanden Sie sie schon gut.“
    „Ich persönlich nicht, aber sie wurden eben rauf und runter gespielt.“
    „Sehr gut.“ Er drehte sich um. „Sie sollten besser ein paar der Tabletten lutschen, die ich Ihnen gegeben habe. Abends würzt sie die Gerichte nämlich extra noch ein bisschen schärfer. Mein Gott,

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