e-Motion
nicht mehr als einem flüchtigen Händchenhalten oder dem ungeschickten Gefummel im Dunkeln – ich ließ den Partner nur so nah an mich heran, damit ich ihn gleich wieder von mir stoßen konnte, denn zu riskieren, dass der Tanz mehr als ein Tanz wurde, war zu gefährlich.
Ich las die Worte in dem Wissen, dass er auf seinem Bett saß, während er sie schrieb, den Laptop vor sich auf einem Kissen, und sein literarischer Kopf sie ungefiltert an mich weitergab. Das waren seine Gedanken. Unredigiert. Seine Zeilen, bevor ich mich ihrer annehmen und sie schleifen konnte. In London war es tiefste Nacht. Michael war kein besonders passionierter Schläfer.
Und dann lernte ich Cassie kennen. Unser Tanz war um so vieles Bedrohlicher. Aber ich kann nicht aufhören damit. Ich muss dir mal unsere Musik vorspielen. Vorspielen, wie unsere Worte in einem Scherzo miteinander verschmelzen. Eine perfekte Komposition. Du musst sie fühlen. Du musst fühlen, Cassie, dass wir die Sonne sind, die über London aufgeht und über deinem Ozean untergeht, zwei Hälften, und doch auch wieder nur eine Sonne. Es sind einfach zwei verschiedene Horizonte. Und auch wieder nur einer.
Tanze heute Nacht mit mir.
Ich atmete tief durch.
Michael. Ich höre es. Ich höre die Band spielen, aber du weißt, dass ich nie tanze. Na gut, ich tanze manchmal auf Hochzeiten. Für gewöhnlich allerdings, wenn ich betrunken bin. Ich tanze auf Tischen und Barhockern. Jedenfalls habe ich das früher gern gemacht. Aber die andere Art von Tanz? Dir vertrauen, dass du mich nicht fallen lässt, wenn ich mich nach hinten werfe? Damit verlangst du viel von mir. Du bleibst für mich die aufgehende Sonne über London. Das Mysterium. Wir tanzen, aber du nimmst dich zurück. Genau wie ich. Die Tatsache, dass du mich nicht anrufen kannst, beunruhigt dich. Doch bevor du dich versiehst, bin ich wieder zurück, und dann können wir weitermachen „damit“ – was immer sich dahinter auch verbergen mag.
Ich drückte wieder die Returntaste. Er antwortete umgehend.
Ich nehme mich kein Stück zurück. Erzähl mir, was du anhast.
Ich sah auf mein T-Shirt und die Jeans. Nicht wirklich aufregend. Ich stand auf, zog mir Jeans und T-Shirt aus, öffnete meinen BH und ließ ihn auf den Boden fallen.
Ich habe gar nichts an, Michael. Für den Moment gehöre ich dir.
Der Cursor auf meinem Bildschirm blinkte … während ich auf seine Antwort wartete. Und wartete.
Es macht mich wahnsinnig, dich mir nackt vorzustellen. Ich will dich schmecken, Cassie. Ich will deine Brustwarzen unter meiner Zunge spüren. Ich möchte an deiner Kehle anfangen und mich langsam bis zu deinen Beinen nach unten tasten, möchte meinen Kopf zwischen sie legen, endlich nach Hause kommen. Das will ich, und nichts anderes. Vom ersten Augenblick an, als wir begonnen haben, uns zu schreiben und miteinander zu telefonieren, wollte ich nur das.
Ich schrieb zurück:
Ich frage mich, wie sich dein Schwanz anfühlen würde, Michael. Aber die berauschende Fantasie, der pre-koitale Prickel ist besser, als alles Reale zwischen uns sein könnte. Willst du wirklich mit jemandem alt werden, dessen Anblick du irgendwann nicht mehr ertragen kannst? Willst du den anderen wirklich über den Tisch hinweg ansehen und feststellen, dass jeder Funke Leidenschaft erloschen ist? Vielleicht würde er sich eine Weile halten, aber irgendwann verglimmt er. Das ist immer so, ein Gesetz der Zeit. Die Dinge erkalten. Ich würde davon träumen, dich in mir zu spüren, dann würde ich es erleben und am Ende hätte ich genug davon.
Ich wartete.
Liebe ist mehr als die Feuchtigkeit zwischen deinen Schenkeln oder meine WAHNSINNIGE Erektion (habe ich dir kürzlich eigentlich mal gesagt, wie unglaublich sexy ich bin?). Liebe ist das, was du zwischen deinen Ohren hast. Dein Verstand, den ich besitzen will.
„Du willst spielen, Michael, aber du willst nicht wirklich tanzen“, flüsterte ich sanft.
Ich bitte dich. Was ich zwischen den Ohren habe, ist meistens betrunken. Und was ist mit dir? Wie oft hast du mich schon lallend und nicht ganz bei Sinnen angerufen, Michael? Passiert das, wenn du gerade einer Frau den Laufpass gegeben hast? Träumst du dann von mir und rufst mich an, angetrunken? Sag es mir, Michael. Sag mir, warum du in den fünf Jahren nie nach Amerika gekommen bist, wenn du so für mich empfindest? Du weigerst dich, mit mir über das Trinken zu sprechen. Du bist genauso daran interessiert, diese Sache abstrakt bleiben zu lassen wie
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