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Weinen, nur dieses Beben der Schultern. Danach hatte ich das Thema nie wieder berührt.
„Du hast ihn besucht?“ fragte ich leise.
„Ja. Er sah gut aus.“
„Hat er dich erkannt?“
„Zuerst nicht, aber dann hat er sich an ein paar Weihnachtsfeste erinnert und an den Tag, als du ihm ein Exemplar der ersten Ausgabe von
The Glass Blowers
mitgebracht hast. Und an den Abend, als er und ich am St. Patrick’s Day in diesem Pub auf der 94. Straße versackt sind.“
„Ich bin froh, dass du da warst. Das bedeutet mir viel, Lou.“
„Außerdem habe ich den Leuten dort unmissverständlich klar gemacht, dass wenn sie diesen mit Silikon aufgepumpten Rottweiler noch einmal zu ihm durchlassen, ich persönlich mit einem Maschinengewehr bei ihnen vorbeischaue.“
„Ich bin beeindruckt.“
„Noch was anderes … Michael Pearton hat sich heftig darüber beschwert, dass du keine Sekunde zögerst, um einen anderen Autor zu treffen, nicht aber zu ihm nach England kommst, und das, wo er schon fünf Bücher mit uns gemacht hat. Wenn wir also in ein paar Monaten nicht bankrott sind, schlage ich vor, dass du ihn triffst und sein Ego ein bisschen streichelst.“
„Es ist nicht sein Ego, das gestreichelt werden will.“
„Nun, der Rest geht mich dann nichts mehr an, das ist eure Sache.“
„Lou, lass uns Schluss machen. Ich muss mit Riggs reden.“
„Nicht, dass du ihm eine runterhaust.“
„Du wirst wohl nie vergessen, wie ich damals Carl Gussbaum eine verpasst habe, was.“
„Er hatte keine Ahnung, wie ihm geschah.“
„Genau, weil er nämlich zu sehr damit beschäftigt war, mir in den Hintern zu kneifen und ihn auf seine Griffigkeit zu testen.“
„Ruf mich später wieder an.“
Ich legte auf und sah zu dem Kaninchen rüber. Die kleine Pelzkugel war gerade dabei, die Kordel meiner Lampe abzufressen. Ich versuchte, das Tier zu verscheuchen, und machte mir dabei realistischerweise klar, dass aus Roland Riggs’ Kaninchen einen Hasenbraten zu machen wohl nicht die beste Voraussetzung für meine Verhandlungen wäre. Schließlich nahm ich das Tier auf den Arm. Es leckte meine Finger.
„Versuch ja nicht, mich auf deine Seite zu kriegen. Du hast auf meinen Teppich gekackt.“
Ich öffnete die Tür und setzte ihn auf dem Flur ab. Im Haus war es bis auf den sprechenden Papagei, der immer mit einer Stimme, die der von Pat Sajak bemerkenswert ähnlich war, wieder „Das große Geld! Das große Geld!“ kreischte, ruhig. Ich beschloss, mich anzuziehen und nach Roland Riggs zu suchen.
Zurück in meinem Zimmer zog ich den Bademantel aus und betrachtete das kleine gerahmte Foto. Ich hatte es auf den Schreibtisch gestellt. Es zeigte meinen Vater und mich, vor einer Ewigkeit, wie mir schien. Ich grinste mit meiner riesigen Zahnlücke in die Kamera, er trug eines seiner teuren Brooks-Brothers-Hemden, die Krawatte gelockert, die Brille auf der Nasenspitze, und lachte.
Ich habe mal ein Voodoo-Buch gemacht. Darin beschrieb eine Hohepriesterin, wie man bestimmte Zauberformeln aufzusagen hatte, damit der Mensch, den das Herz begehrt, sich in einen verliebt. Als ich mit ihr an dem Buch arbeitete, hatte ich sie mal beiläufig gefragt, ob sie Menschen auch verfluchen könnte.
„Sicher, meine Liebe, aber du möchtest dich gewiss nicht mit den bösen Mächten einlassen.“
„Oh doch, und ob ich das möchte“, sagte ich. Ich erzählte ihr daraufhin von meiner Mutter, und sie gab mir einen todsicheren Zauberspruch, mit dem meine Mutter ihr gutes Aussehen verlieren sollte. Ich sollte aus einem Stück Stoff, der mit ihr irgendwie in Verbindung stand, eine kleine Puppe basteln. In einer alten Kiste, die ich aufbewahrt hatte, fand ich tatsächlich einen Hermès-Schal, der ihr gehört hatte. Ich musste ihn mir während meiner Zeit an der High School an einem der seltenen Wochenenden ausgeliehen haben, an denen ich sie besucht hatte. Ich gluckste vor Begeisterung, als ich ihn in der Kiste entdeckte, und schon bald hatte ich eine wunderbare Voodoo-Puppe im Hermès-Stil. Ich sagte meine Zauberformel auf. In der darauf folgenden Woche ging beim Friseur eine Färbung schief, und meine Mutter verlor fast alle ihre Haare. Ihr Mann kaufte ihr eine teure Perücke und fuhr mit ihr nach Paris, damit sie ihr Trauma überwinden konnte. Ich legte die Puppe weg, sicher, dass ich sie eines Tages wieder benutzen würde. Noch heute schicken die Hohepriesterin und ich uns E-Mails. Sie hat ihre eigene Website: www.ihre-zauberformel.com . Man weiß ja
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