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e-Motion

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Titel: e-Motion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erica Orloff
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bald auf. Ich spürte, wie sein Atem wieder regelmäßiger, die Züge durch den ihn überkommenden Schlaf ruhiger wurden, unterbrochen nur ab und an durch einen Schauer, der noch von seinen Tränen herrührte. Darauf bin ich zurück in mein eigenes Zimmer gegangen. Keiner von uns erwähnte am nächsten Tag, was in der Nacht vorgefallen war. Es war ein Mythos. Vielleicht hatte es sich auch wirklich nicht ereignet. Artus’ Rüstung hatte nie einen Riss gehabt. Er war nie bei Avalon verschwunden.
    Und Roland Riggs hatte kein 792-seitiges Gedicht geschrieben. Ich setzte mich aufrecht hin und blinzelte in die Sonne. Etwas weiter unten am Strand sah ich eine Gestalt auf einem Klappstuhl sitzen. Mit grau-weißem Pferdeschwanz. Während ich auf ihn zulief, kam ich ins Schwitzen. Selbst im Oktober waren die Tage noch heiß in Florida.
    „Roland?“
    „Cassie … Ich hatte nicht damit gerechnet, Sie noch im Diesseits wieder zu sehen.“
    „Für gewöhnlich kehre ich relativ verlässlich in die Welt der Lebenden zurück. Was haben Sie in Ihrem Eimer?“
    „Köder. Ein paar kleine Fische, ein paar größere Shrimps. Aber heute will keiner anbeißen. Dafür konnte ich einen Seeadler beobachten. Schauen Sie nur!“ Er zeigte auf einen riesigen Vogel, der hoch über unseren Köpfen auf einer Plattform thronte, die auf einem, wenn ich es richtig deutete, Telefonmast angebracht war.
    „Was soll das denn mit diesem Mast?“
    „Man versucht, die Seeadler zurückzuholen, und schafft künstlich Möglichkeiten, damit sie sich ihre Nester bauen können. Das ist das Mindeste, was wir tun können. Wir haben ihnen die Insel schließlich weggenommen.“
    „Roland … warum haben Sie mir nicht erzählt, dass Sie einen Vorschuss bekommen haben?“
    „Ich wüsste nicht, was daran erwähnenswert gewesen wäre.“
    „Ich kann kein Gedicht veröffentlichen.“
    „Es ist ein
episches
Gedicht.“
    „Na gut, dann eben ein episches Gedicht. Es geht nicht. Ich möchte, dass Sie Lou das Geld zurückgeben. Wenigstens einen Teil davon. Er wird keinen Cent mit dem Buch verdienen. Sie würden ihn ruinieren.“
    „Sie unterschätzen die lesende Öffentlichkeit.“
    „Wie bitte? Die lesende Öffentlichkeit? Die lesende Öffentlichkeit schreit nach Trash. Nach Schmökern. Berühmtheiten. Sie werden sich nicht durch ein episches Gedicht kämpfen, und das wissen Sie ganz genau. Derweil gibt es da einen exzellenten Mann … einen Verleger, der seinen Ruf für den Folgeroman von
Simple Simon
aufs Spiel setzt, den es nicht gibt.“
    „Natürlich gibt es den. Er ist nur nicht das, was Sie wollen.“
    „Warum ist es Ihnen so wichtig, dass dieses Buch gedruckt wird?“
    „Ich habe etwas zu sagen.“
    „Sie haben drei Jahrzehnte nichts gesagt. Warum gerade jetzt?“
    „Das werden Sie schon sehen.“
    „Hören Sie auf mit diesem geheimnisvollen ‚Das werden Sie schon sehen‘-Mist. Ich
sehe
ein Manuskript, mit dem ich ums Verrecken nichts anfangen kann. Ich
sehe
, dass dieses Ding mitnichten der Roman nach
Simple Simon
ist. Es ist etwas komplett anderes.“
    „Und ich
sehe
eine Lektorin, die meint, dass sie in ihrem zarten Alter von was-weiß-ich-wie-vielen-Jahren meint, sie wüsste alles.“
    „Nun, wenn Sie Ihre Höhle auf dieser verrotteten Insel erst einmal lange genug verlassen hätten, um zu begreifen, wie die Welt funktioniert, dann wüssten Sie, dass Ihr Projekt nicht zu machen ist.“
    „Ich werde den Vorschuss nicht zurückgeben.“
    „Sie sind ein egozentrischer Bastard.“
    „Und Sie stören meinen Frieden. Wir sehen uns zum Essen. Ich bitte Sie, gehen Sie ein wenig spazieren. Es wird Ihnen gut tun.“ Mit diesen Worten schaute er an mir vorbei – oder durch mich hindurch – hinaus aufs offene Meer, als wäre ich ein Sandkorn, das man sich aus dem Auge rieb, kurz blinzelte und es dann vergaß.
    „Arschloch“, murmelte ich und machte auf dem Absatz kehrt. Ich marschierte so lange am Strand entlang, bis Riggs nur noch ein kleiner Punkt in der Ferne für mich war. Dann tauchte ich in den Wellen des Golfstroms unter. Vor einer Woche hatte Lou und mir die Welt zu Füßen gelegen. Heute spülten die Fluten den Mythos, dass ich wusste, was ich tat, mit sich fort.

17. KAPITEL
    B eschissen – so fühlte ich mich zum Essen. So fühlte ich mich nach dem Essen. Ich zog mich in mein Zimmer zurück und schenkte mir ein Glas Tequila ein – ein großes Glas Tequila … pur und ohne Eis. Dann checkte ich meine E-Mails.
    Cassie
:
    Ich brauche

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