e-Motion
Orgasmus. Tatsächlich fühlte ich eher so etwas wie Panik.
Las Vegas war meine Idee. Ich dachte, ich würde zurückkommen und die Sache meinem Vater erzählen, der daraufhin nicken und seinen Frieden damit schließen würde. Letztendlich war und blieb ich seine Prinzessin.
So war es also gekommen, dass ich vor Elvis stand und den größten Fehler meines Lebens beging.
Ich wurde Mrs. Acid.
Meine Mutter erhöhte die Frequenz ihrer Besuche bei ihrem Therapeuten von drei- auf fünfmal wöchentlich.
Mein Vater trank zwei Martini pur und umarmte Johnny. Er versuchte sich einzureden, er hätte einen Sohn gewonnen.
Lou und Helen schickten uns eine Waterford Vase, die sie sicher ein Vermögen gekostet hatte, enthielten sich aber jeden Kommentars.
Und nach drei Monaten war die ganze Chose vorbei. Als ob sie nie passiert wäre. Nur dass sie passiert war und ich jemanden verletzt hatte. Armer Johnny. Er verkroch sich in dem Loft eines Freundes und schrieb in einem Anfall von Genialität achtundvierzig Lieder über mich. Er verließ die
Dog Vomit
, wagte sein Comeback als John Dillinger, ließ Soloaufnahmen von sich machen und wurde berühmt.
Ich stürzte mich auf meine Karriere.
Er sucht nach wie vor den Kontakt. Ruft mich aus Japan an, wo er nach den Sumo-Ringern als der größte Held gilt. Ruft mich an, wenn er in New York spielt und Backstagekarten für mich zurücklegen lässt. Ich sage ihm immer, dass ich keine Zeit hätte. Man fühlt sich mächtig nackt, wenn man sich so besungen weiß.
Dennoch denke ich viel an Johnny. Man kann mir nichts anvertrauen. Schon gar nicht Michaels Herz.
Ich habe vierunddreißig Jahre gebraucht, um zu begreifen, dass Liebe nicht das ist, was du zwischen den Beinen, sondern das, was du zwischen deinen Ohren hast. Und das, was Michael zwischen seinen Ohren hat, verweist auf einen höheren IQ als alles, was mir bis dato je begegnet ist. Insofern brauche ich nur jedes Mal, wenn ich mir überlege, nach London zu fahren, das Radio anzuschalten und das Lied „She Killed Me Again“ von John Dillinger zu hören.
John Dillinger alias Johnny Acid.
Alias der nimmermüde Schwanz.
15. KAPITEL
E s dämmerte. Noch im Halbschlaf hörte ich schwach, wie Roland und Maria unten in der Küche hantierten. Ich drückte meinen Kopf tiefer in die Kissen. Etwa gegen elf Uhr hatte ich genug Mut zusammen, um der Sonne Floridas und Lou O’Connor entgegenzutreten. Ich beschloss, dass es an der Zeit war, Lou die Wahrheit über das Gedicht zu sagen.
„West Side Publishing …“
„Guten Morgen, Troy. Ich muss mit Lou sprechen.“
„Kein Problem.“
Während ich in der Warteschleife hing, wurde mir ein Konzert von Bach vorgespielt.
„Lou O’Connor.“
„Vermisst du mich?“
„Dich vermissen? Ich bin drauf und dran, dich umzubringen. Ich hatte längst damit gerechnet, von dir etwas über Seitenzahl, Umschlagvorschläge, Publikationstermin zu erfahren. Stattdessen lässt du mich völlig im Dunkeln.“
„Tja, nun, lustig, dass du das alles erwähnst, Lou, denn, um es auf den Punkt zu bringen … dieses Buch ist nicht zu veröffentlichen.“
„Mach was draus.“
„Ich glaube, die Sache ist etwas komplizierter. Der beste Lektor der Welt könnte aus diesem Text nichts machen. Es ist ein Gedicht, Lou. Um genau zu sein, es ist ein 792 Seiten langes Gedicht.“
Ich hörte ein zischendes Geräusch, das mich schwer an den Moment erinnerte, als aus meinem Clown Bozo-Luftballon alle Luft entfuhr, nachdem meine Mutter mit einer Hutnadel hineingestochen hatte, weil sie wütend war, dass ich das Sonntagskleid, das sie mir rausgelegt hatte, nicht anziehen wollte.
„Ein … Gedicht?“ Lous Stimme hatte etwas gepresstes. „Cassie, das kannst du mir nicht erzählen.“
„Soll ich vielleicht die Einzige sein, die in dem ganzen Schlamassel ein Magengeschwür kriegt?“
„Nun, dann kannst du dein Geschwür schon mal auf den nächsten Schock vorbereiten. Cassie, mein Schatz, versprich mir, dass du nicht schreien wirst.“
„Ich verspreche nie etwas, wenn ich nicht weiß, ob ich es halten kann.“
„Ich war so glücklich über dieses Projekt, über Riggs’ neues Buch, dass ich ihm so etwas wie ein Angebot gemacht habe.“
Nun hörte ich mich an wie Bozo.
„Was meinst du mit ‚so etwas wie‘?“
„In diesem Zusammenhang heißt es, ich habe es getan.“
„Mir hast du gesagt, du hättest es nicht getan.“
„Ich habe angenommen, ich würde das Geld sofort wieder einspielen.“
„Sag mir
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