Earth Girl. Die Begegnung
absolvierten.
Jetzt hatte mich die Panik richtig am Wickel. Nein, ich konnte auch keine theoretische Historikerin werden. Wenn ich den praktischen Teil der Grabungsarbeit nicht mitmachen konnte, musste ich diesen Kurs verlassen, aber der erfolgreiche Abschluss des Grundlagenkurses war die Voraussetzung, um anschließend richtig Geschichte studieren zu dürfen. Das war eine unumstößliche Regel. Ich hatte mich anfangs sehr darüber gefreut, weil es Normstudenten dazu zwang, ein Jahr auf dem Affenplaneten Erde zu verbringen, aber jetzt würde mir diese Vorschrift die ganze Zukunft verbauen.
Wenn ich den Kurs verließ, was würde das für Fian und mich bedeuten? Er würde anbieten, mich zu begleiten, weil er ein unglaublich toller Kerl war, aber das konnte ich nicht zulassen. Fian liebte Geschichte genauso wie ich. Die Beziehung mit mir hatte ihm schon zu viele Opfer abverlangt, weil er dadurch an die Erde gekettet war und es für Probleme zwischen ihm und seinen Eltern sorgte. Ich konnte nicht aus lauter Egoismus erlauben, dass er sein Geschichtsstudium und seine Karriere ebenfalls aufgab.
Die Angst vor einem Schutzanzug schien eine solche Kleinigkeit zu sein, aber sie konnte systematisch mein Leben zerstören. Das würde ich nicht zulassen. Mir blieben drei Tage, bevor ich wieder in meine Schutzkleidung steigen musste. Drei Tage, in denen ich meine Angst überwinden und mich in einen Anzug zwingen musste, der versucht hatte, mich umzubringen. Ich würde das schaffen. Ich musste es schaffen. Es gab keine Alternative.
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23
W ährend der nächsten Tage hatte ich das Gefühl, blind durch einen pechschwarzen Tunnel zu laufen, an dessen Ende kein Licht schimmerte. In der ganzen Zeit hatte ich es kaum über mich gebracht, meinen Schutzanzug auch nur anzusehen. Wenn ich versuchte ihn anzufassen, wurde mir vor lauter irrationalen Ängsten schlecht. Ich wusste nicht, wie ich es Fian klarmachen sollte, aber irgendwie musste ich Worte dafür finden. Schließlich konnte ich nicht ohne eine Erklärung verschwinden. Nach Joths Tod wusste ich, wie schrecklich es sein konnte, wenn man sich endlos den Kopf darüber zerbrach, weshalb etwas passiert war.
Ich hatte schon einmal vorgehabt, den Kurs und Fian zu verlassen. Damals, als er herausfand, dass ich behindert war. Aber er war wunderbar stur gewesen und hatte es nicht zugelassen. Er drohte sogar damit, vor Gericht zu ziehen und mich dazu zu zwingen, meinen Paaringsvertrag mit ihm einzuhalten. Damit hätte er dieses Mal keine Chance, weil unser dreimonatiger Vertrag in wenigen Tagen auslief.
Ich machte mir viele Gedanken, was ich nach Abbruch des Kurses tun würde. Die Erde war für die Abkürzung KGB bekannt: Krankenhaus. Geschichte. Behinderung. Issette studierte Medizin, aber das war für mich keine Option, weil ich in Naturwissenschaften eine Niete war. Es gab jede Menge Stellen für Kinderbetreuung, aber wie sollte ich mich um Kinder kümmern? Ich hatte mein eigenes Leben dermaßen versaut, dass ich bestimmt keine Verantwortung für andere übernehmen sollte.
Jeden Abend dachte ich mir irgendeine neue Ausrede aus, weshalb ich schon vor Fian auf unser Zimmer ging. Und wenn er dann kam, tat ich so, als würde ich bereits schlafen. Ich hielt die Augen fest geschlossen, während er wie eine ungewöhnlich große blonde Maus durchs Zimmer schlich, um schließlich selbst ins Bett zu kriechen. So vermied ich Gespräche, zu denen ich mich nicht imstande fühlte, hatte dafür aber lange Nächte vor mir, in denen sich Schlaflosigkeit und schlimme Träume abwechselten.
Am Ende des dritten Tages kam es mir vor, als stünde ich vorne am Rand einer Klippe und würde in die Tiefe blicken. Am nächsten Morgen würden alle von mir erwarten, wieder in meinen Schutzanzug zu steigen, und das konnte ich genauso wenig wie in den Alpha-Sektor teleportieren. Die Behauptung, meine Haut wäre noch zu empfindlich, würde auch nichts bringen, denn sowohl Playdon als auch Fian würden dann darauf bestehen, dass ich mich untersuchen ließe, und die Ärzte würden nichts finden. Es gab wirklich keinen Ausweg.
Ich saß im Speisesaal, umgeben von plappernden Studenten, als Fian mit einem Essenstablett zu mir an den Tisch kam. Ich schüttelte abwehrend den Kopf, aber er stellte trotzdem einen Teller vor mich hin.
«Bitte, Jarra, iss doch wenigstens ein bisschen Kuchen.»
Mechanisch griff ich nach dem Kuchenstück, aber beim Gedanken an Essen drehte sich mir der Magen um. Fian
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