Earth Girl. Die Begegnung
hatte seinen Höhepunkt in genau dem Happy End gefunden, von dem alle Affenkinder träumen, das aber so wenige tatsächlich erleben. Meine Eltern wollten mich kennenlernen und auf die Erde kommen, um mich zu treffen. Es war mehr als unglaublich gewesen, der absolute Wahnsinn. Doch dann zerplatzte der Traum mit dem Anruf eines Militärgenerals, der mir mitteilte, dass die beiden beim Versuch, eine neue Koloniewelt für die Menschheit zu erschließen, ums Leben gekommen waren.
Jede Erwähnung meiner Eltern löste noch immer ein Chaos unverarbeiteter Gefühle aus, die in mir tobten. Nicht nur wegen ihres Todes und des Traums von einer Familie, der mit ihnen gestorben war, sondern auch wegen meiner Behinderung und der Militärkarriere, die ich nie würde machen können, weil ich die Erde nicht verlassen konnte. Fian und ich mieden das Thema deshalb sorgfältig. Ich war noch nie gut darin gewesen, über Gefühlsdinge zu sprechen, und nach meinen Reaktionen in der Vergangenheit schien Fian Angst zu haben weiter nachzubohren.
Mit Issette wollte ich genauso wenig darüber reden wie mit Fian, deshalb war ich erleichtert, als in diesem Moment die Tür aufging. Fian kam herein, im Arm einen schwarzen Schutzanzug. So verwuschelt, wie seine blonden Haare waren, hatte er vermutlich ein halbes Dutzend Anzüge anprobiert, um herauszufinden, welcher am besten passte. Als er das schwebende Holo-Bild meiner Freundin entdeckte, hielt er inne und winkte.
«Hallo, Issette.»
Issette winkte zurück. «Ich muss jetzt sowieso los. Ich muss mich anziehen und dann nachsehen, ob Keon alles für seine Vorführung vorbereitet hat. Drückt uns die Daumen.»
«Machen wir», versprachen Fian und ich im Chor.
Issettes Bild verschwand, als sie das Gespräch beendete, und Fian sah mich fragend an. «Daumen drücken wofür?»
«Weiß auch nicht so genau. Issette hat Keon überredet, irgendjemandem seine Lichtskulpturen zu zeigen.»
Nach einem Schulterzucken wechselte Fian das Thema. «Dalmora ist angekommen.»
Fian und ich gehörten beide zum Grabungsteam 1 in unserem Kurs, und die anderen drei Mitglieder – Dalmora, Amalie und Krath – waren unsere engsten Freunde. «Was ist mit Amalie und Krath?», erkundigte ich mich.
«Dalmora ist bisher die Einzige.»
Fian hängte seinen Schutzanzug auf und kämmte seine Haare wieder halbwegs glatt. Dann verließen wir unser Zimmer mit den grauen Flexiplas-Wänden und gingen durch den grauen Flexiplas-Korridor zum grauen Flexiplas-Saal, der als einziger Raum im Kuppelbau Platz für mehr als sechs Leute bot. Dort trafen wir auf Dalmora, die sich aufgeregt bei unserem Dozenten Playdon entschuldigte. Ihre schönen, taillenlangen schwarzen Haare waren ungewöhnlich zerzaust.
«Normalerweise kann ich ganz einfach zur Off-World-Station von Danae teleportieren, zu einem interstellaren Portal spazieren und ‹Erde› eingeben. Aber heute Morgen gab es endlose Schlangen. Für die beliebtesten Planetenziele waren Gruppenteleporte zu bestimmten Zeiten angesetzt, aber nicht für die Erde, deshalb musste ich drei Stunden lang in der Hauptschlange warten, bevor ich endlich …»
Playdon gab es auf, darauf zu warten, dass sie vielleicht mal Luft holte, und unterbrach sie nachdrücklich: «Beruhigen Sie sich, Dalmora. Ich habe die Nachricht erhalten, in der Sie mir die Verspätung erklärt haben. Außerdem sind Sie sowieso die Erste.»
«Wirklich? Aber ich bin im Flur Lolia begegnet.»
«Lolia und Lolmack sind auf der Erde geblieben, um Zeit mit ihrem behinderten Baby zu verbringen», erklärte Playdon. «Fian und Jarra waren natürlich auch hier, und ich habe Freunde auf der Grabungsstätte New Tokio besucht. Sie sind die Erste, die von einem anderen Planeten zurückkommt. Anscheinend gibt es erhebliche Verspätungen im gesamten interstellaren und sektorübergreifenden Verkehr.»
«Oh.» Dalmora schien sich ein wenig zu entspannen.
«Die Erde ist das Zentrum des Alpha-Sektors, deshalb brauchten Sie nur ein interstellares Portal», fuhr Playdon fort. «Der Rest der Studenten kommt von Planeten in anderen Sektoren und wird deshalb zuerst zum Alpha-Sektor reisen müssen. Amalie muss von Epsilon aus gleich zweimal den Sektor wechseln, deshalb habe ich ihr eine Nachricht geschickt, dass ich schon mit ihrer erheblichen Verspätung rechne und Verständnis dafür habe.»
Dalmora machte sich auf den Weg zu ihrem Zimmer, gefolgt von einer Schar hüpfender Schwebekoffer, während Playdon sich der riesigen Vid-Wand am
Weitere Kostenlose Bücher