Earth Girl. Die Prüfung
ertönte eine Computerstimme. «Sollte der Scan Ihres genetischen Codes nicht für den Zutritt freigeschaltet sein, wird sich Ihr Portal nicht öffnen. Die Gebühren für diese Reise werden jedoch trotzdem von Ihrem persönlichen Konto abgebucht.»
Ich zögerte, denn in letzter Minute schossen mir nun doch einige feige Gedanken durch den Kopf. Da ertönte hinter mir eine unfreundliche Stimme:
«Sie haben ja vielleicht den ganzen Tag Zeit, aber ich nicht!»
Ich warf einen Blick über die Schulter. Hinter mir wartete ungeduldig eine ältere Dame, die mich an meine furchterregende Naturwissenschaftslehrerin in der Schule erinnerte. Also drehte ich mich wieder zum Portal und holte tief Luft. Ich war Jarra die Militärstochter, mit einer abgeschlossenen Kampfsportausbildung. Ein Geschichtsdozent und neunundzwanzig andere Geschichtsstudenten würden mir keine Angst einjagen.
Ich trat ins Portal und damit in meine neue Identität.
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4
I ch landete in einem ziemlich schlichten Quartierskuppelbau. Man hatte sich gar nicht erst die Mühe gemacht, die Wölbung der Außenwand zu verkleiden, geschweige denn das deprimierende Grau des Flexiplas zu überstreichen. Ich hatte allerdings auch nichts Besseres erwartet, denn ich war während meiner Schulzeit mit der Geschichts- AG bereits an mehreren solcher Ausgrabungsstätten gewesen.
Ein gestresst wirkender Mann um die dreißig blickte einem hüpfenden Koffergrüppchen hinterher, das gerade durch eine Tür verschwand. Dann wandte er sich mir und meiner Taschenherde zu. «Willkommen beim Einführungskurs Vorgeschichte der Asgard University an der Ausgrabungsstätte New York. Ich bin Ihr Dozent Playdon. Und Sie sind …?» Er scrollte auf seinem Lookup eine Namensliste hinunter.
«Jarra Reeath», erwiderte ich.
Zuerst wirkte er überrascht, dann so, als wäre ihm plötzlich ein übler Gestank in die Nase gestiegen. «Sie haben Zimmer 6 », erklärte er und stach dabei heftig mit dem Finger auf seinen Lookup ein, um meinen Namen auf der Liste abzuhaken. «Begrüßung der Studenten findet in einer Stunde im Speisesaal statt.»
Inzwischen war ein weiterer Student durchs Portal gekommen. Playdon wandte sich dem Neuankömmling zu, und ich führte meine kleine Prozession von Koffern durch die Tür hinaus, um mich auf die Suche nach Zimmer Nummer 6 zu machen. Während dieser einminütigen Begegnung hatte ich einige nützliche Dinge gelernt. Playdon wusste offensichtlich, was ich war, blieb aber professionell, obwohl es ihn wenig freute. Er würde den anderen Studenten nichts sagen. Das war schon mal sehr gut. Viel besser war jedoch die Tatsache, dass er nicht gleich auf den ersten Blick erkannt hatte, dass ich das Affenmädchen war. Rational betrachtet wusste ich natürlich, dass an den ganzen Exo-Witzen über das Aussehen und den Geruch von Affenmenschen nichts dran war, aber nachdem ich sie achtzehn Jahre lang auf den Vid-Kanälen anhören musste, hatte mein Selbstvertrauen schon etwas gelitten.
Schließlich entdeckte ich Zimmer 6 , das aus unerfindlichen Gründen zwischen Zimmer 4 und Zimmer 12 lag. Für eine Unterkunft auf einer Ausgrabungsstätte war es gar nicht mal übel. Bett. Stauraum. Sogar ein kleiner Wand-Vid. Ich packte meine Taschen aus, bis es Zeit war, mich der Begrüßungsrunde zu stellen. Ich hatte die Begegnung mit einem einzelnen Feind überlebt, nun würde ich neunundzwanzig weitere kennenlernen. Ich tröstete mich mit der Tatsache, dass zwar Playdon wusste, was ich war, die anderen Studenten hingegen nicht.
Auf meiner Zimmersuche war ich bereits am Speisesaal vorbeigekommen, also machte ich mich jetzt direkt auf den Weg dorthin. Etwa ein Dutzend Studenten saßen auf grauen Flexiplas-Stühlen um graue Flexiplas-Tische herum und starrten die grauen Flexiplas-Wände an. Es kamen immer neue hinzu.
Ich setzte mich möglichst weit nach hinten und versuchte in meine Rolle zu schlüpfen. Einen Monat lang hatte ich aufmerksam Militär-Vids studiert. Ich hatte Kampfsport trainiert. Ich hatte für Jarra die Militärstochter – JMT , wie ich sie bei mir nannte – eine komplette Biographie samt Familie erfunden. Inzwischen kannte ich JMT besser als mich selbst!
Playdon saß vorne im Raum und wirkte irgendwie niedergeschlagen. Nach ein paar Minuten schien er zu beschließen, dass die Klasse nun vollständig war. Er begann seine Rede mit genau denselben Worten, mit denen er mich bei meiner Ankunft begrüßt hatte:
«Willkommen beim
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