Earth Girl. Die Prüfung

etwas Persönliches fragen?», erkundigte sie sich mit der Selbstsicherheit von jemandem, der immer fragen konnte, was er wollte. «Sind deine Eltern beide im aktiven Dienst? Hast du im Internat gewohnt statt zu Hause bei deiner Familie? Das muss hart gewesen sein.»
    Sowohl mein wahres Ich als auch das erfundene konnten darauf antworten. «Die Unterbringung ist getrennt von der Schule, aber, ja, das stimmt. Wir wohnen einen Großteil der Zeit mit anderen Kindern zusammen. Die werden dann fast zu so was wie einer Familie. Ich würde aber nicht sagen, dass es hart gewesen ist …»
    «Interessant!», rief Dalmora.
    Unglaublich, wie sie es schaffte, so zu klingen, als würde sie das wirklich faszinieren. Als Nächstes wandte sie sich einem der Jungs aus Delta zu. Auch an seinen Namen konnte sie sich erinnern, genau wie an die paar Sätze, die er vor der Klasse gesagt hatte. Wie machte sie das? Bei mir war nur eine Handvoll Namen hängengeblieben, angesichts der Flut an Informationen, die mich während der letzten Stunde überrollt hatte. An den Rest erinnerte ich mich nur vage.
    «Fian, du hast gesagt, du willst Experte für Vorgeschichte werden. Bist du dir da jetzt schon so sicher? Ich finde die gesamte Geschichte total spannend. Ich weiß, ich kann nicht alles studieren, aber es ist so schwer, sich zu entscheiden.» Dalmora strahlte Fian an, genau wie eine professionelle Interviewerin in einem Nachrichtenvid.
    Fian besaß offensichtlich einiges an Charakterstärke, denn er wurde weder rot, noch schien es ihn zu verunsichern, dass Dalmora ihn so ansah. «Mit der Vorgeschichte fängt alles an. Die Leute mögen vielleicht glauben, dass die moderne Geschichte relevanter ist, aber das sind bloß ein paar Jahrhunderte von Millionen von Jahren. Auf der Oberfläche der Zeit ist das nur eine ganz dünne Haut. Sobald man tiefer in die Ursachen von Fakten innerhalb der modernen Geschichte eindringt, steckt man schon mitten in der Vorgeschichte. Das ist das eigentliche Fleisch und die Knochen. Das wahre Problem ist die Frage, auf was man sich innerhalb der Vorgeschichte spezialisieren soll. Schließlich hat man da die große Wahl aus allem Möglichen, bis zurück zu den Dinosauriern.»
    «Ich wünsche mir, dass du genau das eines Tages für mich in einem Vid sagst, Fian», meinte Dalmora strahlend. «Hoffentlich bekomme ich die Gelegenheit dazu. Die Leute tun so viele Aspekte innerhalb der Vorgeschichte als nicht länger relevant ab. Nur wenn es einem gelingt, die Menschen zum Innehalten und Nachdenken zu bewegen, ist ein Infovid wirklich erfolgreich.»
    Ich hätte am liebsten laut geschrien. Dalmora war so unerträglich nett, selbst wenn alles nur aufgesetzt war. Und Fian klang tatsächlich ziemlich intelligent. Ich wollte nicht, dass diese Leute nett oder intelligent waren. Ich hasste sie dafür, dass sie der Norm entsprachen, während ich behindert war. Dafür, dass sie zwischen den Welten herumreisen konnten, während ich in einem Käfig eingesperrt war. Ich wollte, dass sie widerliche, schreckliche Menschen waren, damit ich mich in meinem Hass auf Exos bestätigt fühlen durfte.
    Meine Chancen standen gut. Da zu unserer Gruppe die berühmte Dalmora gehörte, ließen sich die Betas nicht lange fernhalten. Als Erster kam der Typ zu uns herüber und gab mir ausgiebig Grund, ihn zu verabscheuen. Zuerst ließ er ungeniert seinen Blick über Dalmoras Körper wandern und verweilte an den eher privaten Stellen, als hätte er ein Anrecht auf sie. Ich hasste Dalmora, aber gleichzeitig merkte ich, wie ich mich an ihrer Stelle über diese unverschämte Musterung ärgerte. Sogar sie, mit ihrem geübten gesellschaftlichen Auftreten, schien es ziemlich aus der Fassung zu bringen.
    Da unserer Moderatorin offensichtlich die Worte fehlten, herrschte unbehagliches Schweigen in der Gruppe. Der Beta ignorierte es. Genüsslich schloss er seine Begutachtung von Dalmora ab, ehe er sich der nächsten Ware im Angebot zuwandte. Und das war ich. «Jarra …» Sein Blick schweifte über meinen Körper, und ich konnte ihn fast auf der Haut spüren.
    Es gefiel mir nicht. Und JMT gefiel es ebenso wenig. Ich versuchte, nicht darauf zu reagieren, denn vermutlich würde es ihm noch mehr Spaß machen, meinen Körper zu betrachten, wenn ich ihm zeigte, dass ich etwas dagegen hatte. «Kann mich gar nicht mehr an deinen Namen erinnern», sagte ich und bemühte mich dabei um einen gelangweilten Tonfall.
    «Lolmack», erwiderte er.
    Jetzt, wo sein Blick nicht