Earth Girl. Die Prüfung

Hügel standen ein paar Bäume, doch sie waren kahl, und jeder Zweig war sorgfältig von einer Eisschicht überzogen. Gedankenversunken betrachtete ich die Winterlandschaft. Ich war immer nur im Sommer hier gewesen, und das jetzt wirkte wesentlich bedrohlicher. Die Kälte traf mich wie ein Schlag, als ich Playdon nach draußen folgte. Mein Schutzanzug fühlte sich auf meiner Haut an wie Eis. Die nächsten zwei Minuten, bis er sich eingestellt hatte, würden schmerzhaft werden.
    Die anderen, die uns folgten, stießen jammernde Protestlaute aus. «Mir ist eiskalt! Wie kann man bei den Dingern die Heizung aufdrehen?», wollte Krath wissen.
    «Das würde ich euch echt nicht empfehlen», riet ich, aber ein paar von ihnen drehten trotzdem am Temperaturregler herum.
    Zwei Minuten später war allen, die auf mich gehört hatten, angenehm warm. Die, die an den Einstellungen herumgepfuscht hatten, jammerten, ihnen sei zu heiß, und drehten die Temperatur herunter. Kurz darauf war ihnen wieder eiskalt. Ich machte mir gedanklich eine Notiz, welche in der Gruppe die Idioten waren. Natürlich standen die Betas auch auf der Liste.
    Fian, der Junge aus Delta, den ich als zumindest halbwegs intelligent eingestuft hatte, hielt sich dicht bei mir. Da durch die Anzüge die Gesichter nicht zu sehen waren, konnte ich es nicht mit Sicherheit sagen, aber ich hatte den Eindruck, dass er mich beobachtete und jede meiner Bewegungen nachahmte. Ich fand, damit bewies er seine Intelligenz. Schließlich kannte ich mich ein bisschen besser aus als die, die gerade zum zweiten Mal brüllten, sie würden in ihren Anzügen bei lebendigem Leib gekocht.
    Irgendwann hatten wir das mit der Temperatur endlich im Griff, und Playdon rief uns alle zu sich. «Wir werden heute bloß auf diesen Hügel dort steigen, damit wir einen Blick auf die Ausgrabungsstätte werfen können. Bitte bleiben Sie zusammen und seien Sie vorsichtig. Falls Sie es doch schaffen sollten, sich zu verlaufen, senden Sie einen Hilferuf über den Teamkanal, und bleiben Sie, wo Sie sind, bis wir Sie gefunden haben. Egal was passiert, ziehen Sie niemals Ihren Schutzanzug aus. Die Bären sollten zwar Winterschlaf halten, aber dafür sind die Wolfsrudel um diese Jahreszeit hungrig.»
    «Was ist ein Wolf?», wollte Lolia wissen.
    «Die wilden Vorfahren von Hunden», antwortete Playdon. «Sie jagen in Rudeln. Die Elch- und Rotwildherden suchen im Winter in den Ruinen Schutz und die Wolfsrudel folgen ihnen. Ich habe eine Pistole, aber ich würde sie lieber nicht verwenden müssen. Wölfe fallen vor allem Einzelpersonen an. Wenn wir alle beisammenbleiben, werden sie uns vermutlich in Ruhe lassen.»
    «Sind die gefährlich?», ertönte eine weibliche Stimme.
    Ich warf einen Blick auf den Leuchtnamen des Anzugs und sah, dass es sich um die Studentin namens Amalie aus dem Epsilonsektor handelte. Wenn sie alle auch ohne Schutzanzug ihren Namen in Leuchtbuchstaben mit sich herumtragen würden, könnte ich sie viel besser auseinanderhalten. Playdon schien uns bereits alle richtig zuordnen zu können, während Miss Celebrity aus Alpha nicht nur die Namen, sondern auch noch die persönlichen Hintergründe draufhatte, aber wir anderen hatten da so unsere Schwierigkeiten.
    «Ohne einen Anzug würden die Wölfe Sie in Stücke reißen und fressen», erwiderte Playdon. «Im Schutzanzug können sie Ihnen vermutlich nicht viel antun, aber ich bezweifle, dass es Ihnen Spaß machen würde, das auszuprobieren. Los geht’s.»
    In langsamem Tempo erklommen wir den Hügel vor uns. Ich hielt inne, um zu warten, bis die anderen aufgeschlossen hatten. Ein Anzug namens ‹Fian› gesellte sich zu mir.
    «Ist wahrscheinlich eine blöde Frage», meinte er, «aber wie kannst du dich so schnell bewegen? Mein Anzug bremst mich ständig abrupt aus.»
    Mir fiel auf, dass er so clever gewesen war, sein Kommsystem auf den richtigen Kanal zu stellen, während er mich das fragte, sodass ihn nicht die ganze Klasse hören konnte. Ehe ich antwortete, überprüfte ich, dass auch meins richtig eingestellt war.
    «Der Trick dabei ist, sich so gleichmäßig wie möglich zu bewegen», erklärte ich ihm. «Ruckartige Bewegungen können den Versteifungsmechanismus des Anzugmaterials aktivieren.»
    «Vielen Dank.»
    «Müssen wir diese unförmigen Dinger wirklich tragen?», maulte Lolia lautstark am anderen Ende der Gruppe.
    «Vielleicht sollten wir sie ihren ausziehen lassen. Die Wölfe könnten auch mal was Feines zu fressen vertragen»,