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EB1021____Creepers - David Morell

EB1021____Creepers - David Morell

Titel: EB1021____Creepers - David Morell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Morrell
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Telefonsystem. Ein
    weiterer vergleichbarer Fall ereignete sich im Oktober 2002 in
    Moskau, als tschetschenische Rebellen ein Theater besetzten.
    Nachdem die Armee das Gebäude umzingelt hatte, führte ein
    »urban explorer« die Soldaten durch einen vergessenen Tun‐
    nel ins Innere. Manches von alldem ist schlichtes Abenteuer‐
    spiel. Aber ich glaube, es gibt hier auch eine psychologische
    Dimension. Ich habe in Creepers geschrieben, dass unsere Welt
    so belastet ist von einer gewachsenen Bedrohung, dass der
    Wunsch, sich in die Vergangenheit zu flüchten, sehr verständ‐
    lich scheint. Alte Gebäude können eine Zuflucht bieten; sie
    versetzen uns zurück in eine Zeit, die wir uns als einfach und
    weniger anstrengend vorstellen. In meiner Jugend diente mir
    der verlassene Wohnblock als Zuflucht vor dem Chaos meines
    Familienlebens. Ich war ein Zeitreisender; ich fand Trost in
    einer Vergangenheit, die meine Phantasie ansprach und in der
    es niemals Streit gab.
    Das war meine Jugend. Als Erwachsener sehe ich die Dinge
    anders; die Assoziationen sind weniger oberflächlich und we‐
    niger beruhigend. Alte Gebäude sind für mich inzwischen wie
    alte Fotografien. Sie erinnern mich daran, wie schnell die Zeit
    vergeht. Die Vergangenheit, die sie heraufbeschwören, ruft
    mir ins Gedächtnis, welches Schicksal auch mir letzten Endes
    bevorsteht. Sie geben Anlass zur Reflexion. Vor einer Weile
    hatte ich Gelegenheit, die Highschool zu besuchen, auf die ich
    vor über vierzig Jahren gegangen bin. Ein Teil davon war ab‐
    gebrannt. Der größte Teil dessen, was noch stand, war seit ei‐
    nem Jahrzehnt verschlossen und vernagelt. Als ich das Ge‐
    bäude betrat, war ein Altlastenerkundungsteam gerade dabei,
    es auf Asbest, bleihaltige Farbe und Schimmel zu überprüfen,
    weil die Schule renoviert werden sollte. Es ist verblüffend, was
    Jahre der Vernachlässigung anrichten können, vor allem,
    wenn zerbrochene Fenster Regen und Schnee einlassen. In den
    verstörend stillen Gängen hatten sich die Dielenböden verzo‐
    gen. Putz fiel von den Decken. Farbe hing in Streifen von den
    Wänden. Aber in meiner Erinnerung war noch alles sauber
    und gepflegt. Ich stellte mir vor, wie Lehrer und lärmende
    Schüler die Korridore mit Leben erfüllten. Der Haken dabei
    ist, dass viele dieser Schüler und Lehrer schon lange tot sind.
    Mitten im Verfall beschwor meine Einbildungskraft eine Ju‐
    gend und Hoffnung herauf, die lang vergangen war – ebenso
    wie die Schule bald Vergangenheit sein würde. Ich frage mich,
    ob verlassene Gebäude uns als Leerräume dienen, in die Kin‐
    der ihr Staunen und Erwachsene ihre uneingestandenen Äng‐
    ste mitbringen. Als ich dem Bedürfnis nachgab, diese Ruine
    einer Schule zu besuchen – habe ich mich da unabsichtlich
    meiner eigenen Sterblichkeit gestellt? Aber mein Besuch war
    ungefährlich, was die echte »urban exploration« nicht ist.
    Wenn sie verbotene Stätten infiltrieren und sich mit einer ver‐
    fallenen Vergangenheit beschäftigen, spielen »Creepers« mit
    der Gefahr. Jeden Augenblick kann ein Fußboden nachgeben,
    eine Wand einstürzen, eine Treppe zusammenbrechen. »Cree‐
    pers« fordern die Vergangenheit dazu heraus, sich an ihnen zu
    rächen. Mit jeder erfolgreichen Expedition gehen sie siegreich
    aus einer weiteren Auseinandersetzung mit Alter und Verfall
    hervor. Ein paar Stunden lang haben sie intensiv gelebt. Viel‐
    leicht hoffen sie, mit ihrer Besessenheit von der Vergangenheit
    ihre eigene unausweichliche Zukunft hinausschieben zu kön‐
    nen. Vielleicht ist es für sie auch ein tröstlicher Gedanke, dass
    die Vergangenheit greifbar in die Gegenwart hineinreicht und
    dass auch etwas von ihrer Vergangenheit überleben könnte,
    wenn sie selbst nicht mehr sind.
    Als mein Sohn Matthew mit fünfzehn Jahren an Knochen‐
    krebs starb, war sein schmerzlichster Gedanke: »Aber nie‐
    mand wird sich an mich erinnern.« Memento mori. Vielleicht ist
    es dies, worum es bei der »urban exploration« geht. Ist die Be‐
    sessenheit von der Vergangenheit eine Version der Hoffnung,
    dass etwas von uns bleiben wird, dass viele Jahre nach uns
    jemand erforschen wird, wo wir gelebt haben, und unsere Ge‐
    genwart spüren wird? Das Schallplattenalbum, das ich gefun‐
    den habe – das ferne Zischen, dem ich gelauscht habe, so wie
    es jemand Jahrzehnte zuvor getan hatte. »Those Wedding Beils
    Are Breaking Up That Old Gang Of Mine.« Es ist ein Song
    über die Zeit,

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