EB1021____Creepers - David Morell
Etwas
in seinem Geist schien zu kippen. Er fürchtete, wahnsinnig
geworden zu sein.
»Müssen hier raus, sonst ertrinken wir.« Amandas Stimme
zitterte.
Balenger brachte es nicht über sich, ihr zu sagen, dass ihre
unterkühlten Muskeln sie wehrlos machen würden, selbst
wenn es ihnen gelang, sich zurück ins Foyer zu kämpfen. Sie
würden Ronnie nicht daran hindern können, sie zu erschießen.
Einen fürchterlichen Augenblick lang ließen Amandas
schöne Wangen und ihr blondes Haar ihn glauben, er sehe…
»Diane?«
»Wie hast du mich genannt?«
Er griff nach ihrem Arm und versuchte, sie und Vinnie in
Richtung Schwimmbecken zu ziehen. Aber er war nur einen
Schritt weit gekommen, bevor die erbarmungslose Strömung
sie wieder gegen den Tank drückte. Kalt. So kalt.
Balengers Hände waren steif. Das Wasser reichte ihm bis
zum Brustbein. Hab sie endlich gefunden. Kann sie nicht ster‐
ben lassen.
Verdammt noch mal, wie kommen wir hier raus? Wenn das
Schwein die Tür nicht zugeschweißt hätte… Er ließ sich von
der Strömung von dem Tank fortziehen und watete auf die
Tür zu. Die Schweißpunkte, dachte er. Vielleicht sind sie nicht
zu stark. Vielleicht kann ich sie mit der Brechstange aufbre‐
chen. Wenn all das Wasser gegen die Tür drückt? Tonnen von
Wasser? Selbst wenn die Tür nicht zugeschweißt wäre, würde
ich sie niemals aufbekommen. Schweißpunkte. Etwas arbeitete
in seiner Erinnerung. Etwas Wichtiges, das er nicht identifizie‐
ren konnte. Etwas…
Balenger erinnerte sich – als Ronnie auf dem Überwa‐
chungsbildschirm aufgetaucht war, als er auf das Rohr gezeigt
hatte, das er gerade über die Tür geschweißt hatte, hatte links
von der Tür ein Tank gestanden. Er watete in diese Richtung
und betete darum, dass Ronnie den Tank nicht fortgeschafft
hatte. Er tastete im Wasser herum, fand nichts, tastete tiefer,
und seine Finger streiften gebogenes Metall.
Er hätte fast aufgeschrien vor Erleichterung, als er sich wie‐
der aufrichtete, aber es gab noch viel zu tun, bevor die Hoff‐
nung Wirklichkeit wurde. Das Wasser hatte das vor die Tür
geschweißte Rohr fast erreicht. Hinter dem Rohr war ein klei‐
ner Zwischenraum. Er zog die Brechstange aus dem Rucksack
und rammte das scharfe Ende in die Lücke. Er richtete die
Brechstange vertikal aus, den Haken an der oberen Türkante.
Wieder tastete er im Wasser herum. Unter dem Gewicht stöh‐
nend, hob er den Tank hoch und verwendete die Traggurte,
um ihn an die Brechstange zu hängen, so dass er über der
Wasseroberfläche schwebte. Er holte den Plastiksprengstoff
aus dem Rucksack und zwängte ihn zwischen den Tank und
die Tür. Er zerrte die Rolle Klebeband heraus und befestigte
die Düse des Tanks so, dass die Mündung auf den Tank selbst
zeigte. Dann klebte er den Hebel am Griff in der »Offen«‐
Position fest. Gas begann auszuströmen. Als er auf die Zün‐
dung drückte, schlug eine Flamme aus der Düse. Das Wasser
drängte ihn zurück, als er versuchte, sich zu Amanda und
Vinnie durchzukämpfen. Es erinnerte ihn an Alpträume, in
denen er verzweifelt voranzukommen versuchte, ohne die Be‐
ine bewegen zu können. Er sah dem Wiederschein der
Schweißflamme hinter sich, drückte die Schuhsohlen gegen
den Boden und zwang seine Beine vorwärts durch das stei‐
gende Wasser. Schwer atmend erreichte er den Vorratstank,
gegen den Amanda und Vinnie vom Wasser gepresst wurden.
»Macht die Augen zu! Hände auf die Ohren!«, schrie er.
Amanda zögerte nicht.
»Vinnie, hörst du mich? Mach die Augen zu! Hände auf die
Ohren!«
Benommen von Schmerz, Morphium und Kälte, drückte
Vinnie beide Hände auf seine Ohren. Balenger tat das Gleiche.
Das Wasser stand ihm bis zur Brust.
Der Schweißbrenner, dachte er. Wie lang wird er brauchen,
um den Tank durchzubrennen? Eins, zwei, drei, vier. Er sollte
inzwischen explodiert sein. Sieben, acht, neun. Ist der Tank ins
Wasser gefallen? Ist das Wasser schon so hoch gestiegen, dass
es die Flamme gelöscht hat? Dreizehn, vierzehn.
Die Welt wurde laut und hell. Selbst mit geschlossenen Au‐
gen und zugehaltenen Ohren hatte Balenger das Gefühl, blind
und taub geworden zu sein. Eine fürchterliche Kraft hob ihn
hoch, während sie zugleich alles Leben aus ihm herauszusau‐
gen schien. Er war schwerelos; er konnte nicht atmen.
Er fiel; der Druck presste ihn zusammen. Oben und unten,
rechts und links – all das hatte plötzlich keine
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