Echo des Blutes: Thriller (German Edition)
zwanzig Jahre als Detective beim Philadelphia Police Department gearbeitet. Als Jessica bei der Polizei anfing, hatten ihr vor allem Kevin Byrne und John Shepherd beigebracht, wo’s langging. Byrne zeigte ihr, wie man an einem Tatort vorging, und im Grunde brachte er ihr bis zum heutigen Tag immer wieder etwas Neues bei. John Shepherd hingegen erklärte ihr, wie man einen Verhörraum betrat und welche Haltung man annehmen musste, um den Zeugen oder Verdächtigen nicht einzuschüchtern. Und auch wie man den schwierigen Spagat schaffte, jemanden als Verdächtigen oder als Zeugen zu behandeln, wie man ihm die erste Lüge entlockte und sie ihm dann ein oder zwei Stunden später ins Gesicht schleuderte.
Als er in den Ruhestand trat, verlor das Police Department einen großartigen Detective.
John Shepherd, der einen schicken blauen Anzug trug, breitete die Arme aus. »Jess«, sagte er. »Du siehst wie immer fantastisch aus.«
Sie umarmten sich. Sie standen zwar noch immer auf derselben Seite, arbeiteten aber nicht mehr im selben Team. Daher konnten sie nun auch offen ihre Zuneigung bekunden. »Wir vermissen dich, John.«
Shepherd wandte sich Byrne zu. »Wenn ich hier nicht der Leiter des Sicherheitsdienstes wäre, müsste ich die Security rufen, sobald ein so zwielichtiges Subjekt das Hotel betritt.«
Die beiden Männer schüttelten sich die Hand, klopften sich auf die Schulter und den Rücken. Eine Begrüßung nach dem Motto: Ich schwöre, ich bin nicht schwul. Männer , dachte Jessica. In der Öffentlichkeit um Himmels willen bloß keine Gefühle zeigen. Cops waren am schlimmsten.
»Du siehst gut aus, Johnny«, sagte Byrne.
»Nicht ausgelastet und überbezahlt.«
Shepherd sah gesünder aus als je zuvor. Sobald man den Dienstzeiten bei der Polizei und dem ständigen Fastfood nicht mehr ausgesetzt war, erholte man sich schlagartig. Der große, gut aussehende Mann mit den silbergrauen Haaren war mittlerweile in den Fünfzigern. Er wirkte entspannt und kompetent.
Er führte sie zur anderen Seite der Lobby hinter eine große Trennwand aus Mattglas, die die geschmackvoll eingerichtete Lounge vor dem Lärm der neu ankommenden Gäste schützte.
Sie standen am Ende der Theke, weit entfernt von allen anderen. Ohne dass sie etwas bestellt hatten, wurden ihnen drei Tassen Kaffee mit kleinen Bechern Kaffeesahne auf Eis serviert.
»Was habt ihr vor?«, fragte Shepherd. »Die öffentliche Sicherheit wahren?«
»Sie zerstören, so bald es möglich ist«, erwiderte Byrne. »Und wie läuft’s hier?«
»Letzten Monat hatten wir einen Hoteldieb, einen von der Sorte, die in den Hotels nach offenen Zimmertüren suchen.«
Diese Typen, die meistens schon Vorstrafen wegen Einbruchs und Diebstahls hatten, waren in der Regel nicht gewalttätig, aber eine echte Plage für den Sicherheitsdienst des Hotels. Sie kamen ins Haus, gingen in die oberen Stockwerke und drückten gegen die Türen, bis sie eine fanden, die offen oder nicht richtig verschlossen oder – Gott steh den Zimmermädchen bei – die vom Hauspersonal offen gelassen worden war.
»Hast du ihn geschnappt?«, fragte Byrne.
»Im März trieb der Typ im Sheraton Society Hill sein Unwesen und im Mai im Hyatt Penn’s Landing. Wir hatten ihn auf dem Schirm, aber er war geschickt – Ballcaps, Brillen, Polster um die Taille, um dicker auszusehen. Einmal trug er elegante Anzüge, dann wieder Jogginganzüge und Turnschuhe. Wir haben ihn trotzdem geschnappt.«
Sie sprachen noch eine Weile über den Job, bis Shepherd seinen Hocker näher heranzog und die Stimme senkte. »Ich weiß, wie anziehend und unglaublich charmant ich bin, aber deshalb seid ihr doch bestimmt nicht hier.«
Byrne dachte kurz nach. »Hier im Hotel findet eine Tagung statt. Wir glauben, dass es da eine Verbindung zu einem unserer Fälle geben könnte.«
Shepherd nickte. »Die Serienmorde?«
»Ja.«
»Dann lass mal hören.«
Byrne informierte Shepherd über die Details.
»Sein Name ist George Archer?«, fragte Shepherd.
»Ja.«
»Wartet mal kurz.«
Shepherd verließ die Bar und kehrte ein paar Minuten später zurück. »Unter diesem Namen hat hier niemand eingecheckt. Vielleicht wohnt er in einem anderen Hotel. Habt ihr eine Beschreibung des Typen?«
»Noch nicht«, sagte Byrne. »Wir haben bei der Staatspolizei um Informationen gebeten. Es könnte sein, dass sie nicht einmal ein Foto haben. Der Kerl wurde verhört, aber nie verhaftet oder angeklagt.«
Shepherd nickte. Er hatte früher denselben Job
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