Echo des Blutes: Thriller (German Edition)
Straßenschildern dekoriert.
Jessica ging auf den Pick-up zu und legte eine Hand auf die Motorhaube. Der Motor war kalt. Sie zog ein Kleenextuch aus der Tasche und öffnete die Beifahrertür. Als die verrosteten Scharniere knarrten, verharrte Jessica einen kurzen Augenblick reglos. Inmitten der Stille hallte das Knarren wie ein Schrei durch die Garage. Langsam zog Jessica die Tür auf. Im Zündschloss steckte kein Schlüssel, und das Fahrerhaus war relativ sauber. Am Innenspiegel hing ein Duftbäumchen.
Auf dem Sitz lag ein kleiner Stapel Papiere. Jessica schob sie mit dem Kleenextuch auseinander. Sie entdeckte ein paar Flyer für ein Oktoberfest, das kürzlich in Kelton gefeiert worden war, einen Gutschein für eine kostenlose Wagenwäsche und eine Broschüre über Stadtrundfahrten in Philadelphia. Ganz unten lag eine Postkarte mit einem Strand in South Carolina. Grüße von Edisto Island. Jessica drehte die Karte um und richtete den Lichtstrahl ihrer Taschenlampe auf den Text.
Ich freue mich schon, Sie und die anderen bei der Société Poursuite zu sehen! Ich übernachte im Hyatt Lenn’s Landing. Kommen Sie doch vorbei, dann trinken wir ein Gläschen.
Die Karte war nur mit R. unterschrieben.
Jessica betrachtete den Stempel auf der Briefmarke. Die Karte war am letzten Freitag abgeschickt worden.
Sie schob sie wieder in den Stapel, schloss die Wagentür und verließ die Garage. Sie erzählte Byrne von der Postkarte.
»Sieht so aus, als würde er das Jahrestreffen der Société Poursuite besuchen.«
»Das ist doch die Gruppe, die sich um ungelöste Fälle kümmert, nicht wahr?«
»Und es sind alles …«
»… ungelöste Fälle«, sagte Byrne. »Melina Laskaris, Marcellus Palmer, Antoinette Chan und Peggy van Tassel sind alles ungelöste Fälle. Genau das, wofür sich eine Gruppe wie Société Poursuite interessiert.«
Jessica nickte und dachte kurz nach. »Logan hat gesagt, der Typ war früher bei der Staatspolizei. Vielleicht ist er auch Mitglied in der Gruppe.«
»Die Tagung ist in dieser Woche.«
Sie begriffen beide gleichzeitig, was das bedeutete.
»Er ist in Philly«, sagte Jessica.
»Er ist in Philly.«
67.
Im Juli 1998 traf sich ein Detective des New York Police Departments im Ruhestand, ein gewisser Paul Ferrone, in einem kleinen italienischen Restaurant in Queens, New York – einer Trattoria im alten Stil auf dem Astoria Boulevard namens Theresa’s -, mit zweien seiner ältesten Freunde.
Die drei Männer trafen sich schon seit vier Jahren einmal im Monat aus zwei Gründen bei Theresa’s. Erstens war Theresa Colopintis Hähnchen mit Paprika das Beste in ganz New York. Und zweitens -noch viel wichtiger -, waren die drei Männer gerne zusammen.
Nachdem die Vorspeisenteller abgeräumt worden waren, sprach Paul Ferrone mit seinen beiden Freunden – Matt Grayson, einem Zahnspezialisten im Ruhestand aus Newark, New Jersey, der in der Kriminaltechnik gearbeitet hatte, und Eli O’Steen, einem pensionierten Richter aus Brooklyn – wie immer über Mordfälle. Ungelöste Mordfälle. Sie spielten mit dem Gedanken, einen Verein zu gründen, um sich regelmäßig in einem größeren Kreis mit ungelösten Mordfällen befassen zu können.
An diesem Abend gründeten sie die Vereinigung Société Poursuite. Mit dem Namen wollten sie der Vidocq Society Anerkennung zollen, einer Gruppe mit ähnlichem inhaltlichem Schwerpunkt, die nach dem französischen Kommissar Eugene François Vidocq aus dem neunzehnten Jahrhundert benannt worden war.
Die Société Poursuite, die zahlreiche Parallelen zur Vidocq Society aufwies, zählte mittlerweile weltweit mehr als dreihundertsiebzig Mitglieder. Und seit der Gründung an jenem Sommerabend 1998 hatte der Verein zur Aufklärung von mehr als sechzig Morden in der ganzen Welt beigetragen.
Die kleine Gruppe traf sich jeden Monat in New York City. Einmal im Jahr kamen alle Mitglieder der Société Poursuite im Oktober abwechselnd in New York, Philadelphia oder Washington, D. C., an der Ostküste zu einer großen Tagung zusammen.
In diesem Jahr fand die elfte Jahrestagung in Philadelphia im Hotel Le Jardin statt. Am letzten Abend, an dem auch ein Fünf-Gänge-Menü von dem mit Michelin-Sternen ausgezeichneten Starkoch Alain Cochel serviert wurde, hielt der Justizminister des Staates Pennsylvania eine Rede.
Als Jessica und Byrne im Le Jardin eintrafen, wartete der Leiter des Sicherheitsdienstes, John Shepherd, bereits in der Empfangshalle auf sie.
Shepherd hatte über
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