Echo Einer Winternacht
werden. Er ballte die Fäuste und senkte den Kopf wie ein Stier vor dem Angriff.
Macfadyen ließ sich aber nicht einschüchtern. »Ich will nur über meine Mutter sprechen«, sagte er.
»Ich habe Ihnen nichts mitzuteilen«, knurrte Brian Duff.
»Ich will nur wissen, wie sie war.«
»Ich dachte, Jimmy Lawson hätte Ihnen gesagt, Sie sollten wegbleiben?«
»Lawson ist zu Ihnen gekommen, um über mich zu sprechen?«
»Bilden Sie sich nur nichts ein. Er ist zu mir gekommen, um über die neue Ermittlung zur Ermordung meiner Schwester zu sprechen.«
Macfadyen nickte, er habe verstanden. »Er hat Ihnen also von den fehlenden Beweisstücken erzählt?«
Duff nickte. »Ja.« Er senkte die Hände und wandte den Blick ab. »Die Versager.«
»Wenn Sie nicht über meine Mutter sprechen wollen, können Sie mir dann wenigstens sagen, wie es war, als sie umgebracht wurde? Ich muss wissen, was passiert ist. Und Sie waren dort.«
Duff erkannte, dass er es hier mit Hartnäckigkeit zu tun hatte.
Das war schließlich ein Charakterzug, den dieser Fremde mit ihm und seinem Bruder gemeinsam hatte. »Sie lassen sich wohl nicht abweisen, was?«, sagte er übel gelaunt.
»Ja, das stimmt. Hören Sie, ich habe nie erwartet, dass man mich in der Familie meiner Blutsverwandten mit offenen Armen empfangen würde. Aber ich habe ein Recht zu wissen, woher ich gekommen bin und was mit meiner Mutter geschehen ist.«
»Wenn ich mit Ihnen rede, werden Sie dann gehen und uns in Ruhe lassen?«
Macfadyen überlegte einen Augenblick. Es war besser als nichts. Und vielleicht würde er eine Möglichkeit finden, Brian Duffs Abwehrhaltung zu überwinden und sich für die Zukunft eine Tür offen zu halten. »Okay«, sagte er.
»Kennen Sie die Lammas Bar?«
»Ich bin ein paarmal dort gewesen.«
Duffs Augenbrauen hoben sich. »Ich treffe Sie dort in einer halben Stunde.« Er drehte sich auf dem Absatz um und stolzierte davon. Als sein Onkel in der Dunkelheit verschwunden war, spürte Macfadyen die Erregung wie Galle in seiner Kehle hochsteigen. Er hatte so lange nach Antworten gesucht, und die Aussicht, sie endlich zu finden, überwältigte ihn fast. Er eilte zu seinem Wagen zurück, fuhr direkt zur Lammas Bar und suchte sich einen Tisch in einer stillen Ecke, wo sie in Ruhe reden konnten. Er ließ den Blick umherschweifen und fragte sich, wie viel sich wohl verändert hatte, seit Rosie hinter der Bar gearbeitet hatte. Es sah aus, als sei das Lokal in den neunziger Jahren renoviert worden, aber die abgestoßene Farbe und der allgemein eher deprimierende Eindruck ließen darauf schließen, dass es den Aufschwung zu einer Szene-Kneipe wohl nie geschafft hatte.
Macfadyen hatte sein Bier halb ausgetrunken, als Brian Duff die Tür aufstieß und zum Tresen ging. Er war hier offenbar allseits bekannt, das Mädchen hinter der Bar griff schon nach einem Glas, bevor er etwas bestellte. Mit einem Eighty-Shilling-Bier bewaffnet, setzte er sich zu Macfadyen an den Tisch.
»Also gut«, sagte er, »wieviel wissen Sie?«
»Ich habe in den Zeitungsarchiven nachgesehen und fand noch etwas über diese Sache in einem Buch über authentische Fälle.
Aber daraus konnte ich nur die reinen Fakten entnehmen.«
Duff nahm einen großen Schluck Bier und hielt dabei den Blick auf Macfadyen gerichtet. »Fakten, vielleicht. Die Wahrheit? Auf keinen Fall. Weil man Leute nicht Mörder nennen darf, bevor die Geschworenen das festgestellt haben.«
Macfadyens Puls beschleunigte sich. Es klang, als sei der Verdacht, den er hatte, in die richtige Richtung gegangen. »Was meinen Sie damit?«, sagte er.
Duff holte tief Luft und atmete langsam wieder aus. Es war offensichtlich, dass er dieses Gespräch eigentlich nicht führen wollte. »Lassen Sie es mich erzählen. An dem Abend, als Rosie starb, arbeitete sie hier an der Bar. Manchmal nahm ich sie im Auto mit nach Hause, aber an dem Abend nicht. Sie sagte, sie würde zu einer Party gehen, aber in Wirklichkeit traf sie sich nach der Arbeit mit jemandem. Wir wussten alle, dass sie mit jemand ging, aber sie verriet nicht, wer es war. Sie mochte Geheimnisse, unsere Rosie. Aber ich und Colin, wir haben vermutet, dass sie nichts von ihrem Freund erzählte, weil sie dachte, wir hätten etwas gegen ihn.« Duff kratzte sich am Kinn.
»Wir waren ein bisschen plump, wenn es darum ging, Rosie zu beschützen. Aber nachdem sie schwanger geworden war … na ja, sagen wir mal, wir wollten nicht, dass sie sich noch einmal mit einem Versager
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