Echo Einer Winternacht
würde. Andere erzählten kleine Geschichten über ihre Beziehung zu ihm, viele davon warmherzig und humorvoll. Alex wäre gern aufgestanden, um etwas zu sagen, aber er konnte sich nicht auf seine Stimme verlassen. Dann der Augenblick, vor dem ihm bang war. Er spürte, dass Weird sich auf seinem Platz rührte und aufstand. Alex stöhnte innerlich.
Als er ihn zum Podest schreiten sah, fragte sich Alex, wie Weird es geschafft hatte, sich im Lauf der Jahre dieses Auftreten anzueignen. Ziggy hatte immer schon ein gewisses Charisma gehabt, aber Weird war unbeholfen und schlaksig gewesen, und man konnte sich darauf verlassen, dass er das Falsche sagte, eine falsche Bewegung machte, den falschen Ton anschlug. Aber er hatte wohl viel gelernt. Eine zu Boden fallende Stecknadel hätte wie die Posaune des Jüngsten Gerichts geklungen, als Weird sich sammelte, um zu sprechen.
»Ziggy war mein ältester Freund«, begann er. »Ich dachte, der Weg, den er einschlug, sei ein Fehler. Er hielt mich für einen Schwachkopf, vielleicht sogar einen Scharlatan. Aber das spielte nie eine Rolle. Das Band, das uns zusammenhielt, war stark genug, diese Schwierigkeit zu überstehen. Denn die Zeit, in der wir immer zusammensteckten, war der Lebensabschnitt, der im Leben jedes Mannes die schwierigsten Jahre umfasst, in denen er der Kindheit entwächst und zum Mann wird. Wir alle kämpfen uns durch diese Jahre hindurch und versuchen herauszufinden, wer wir sind und was wir der Welt zu bieten haben. Manche von uns haben das Glück, einen Freund wie Ziggy zu haben, der uns wieder aufhilft, wenn wir einen Fehler gemacht haben.«
Alex sah ihn ungläubig an. Er traute seinen Ohren kaum. Er hatte erwartet, dass er von Verdammnis und Fegefeuer sprechen würde, aber stattdessen ging es bei dem, was er da hörte, unverkennbar um tiefe Zuneigung. Er lächelte plötzlich, trotz allem.
»Wir waren zu viert«, fuhr Weird fort. »Die Laddies fi’
Kirkcaldy. Wir lernten uns am ersten Tag in der High School kennen, und etwas Wunderbares geschah. Wir schlossen uns zusammen. Wir teilten unsere tiefsten Ängste und unsere größten Triumphe. Jahrelang waren wir die schlechteste Band der Welt, aber das war uns egal. In jeder Gruppe fällt jedem Einzelnen eine Rolle zu. Ich war der Trottel. Der Narr.
Derjenige, der es immer zu weit trieb.« Er zuckte mit einer selbstkritischen Geste leicht die Schultern. »Manche sagen vielleicht, es ist immer noch so. Ziggy hat mich vor mir selbst gerettet. Er hat mich vor den schlimmsten Auswüchsen meines Charakters geschützt, bis ich einen größeren Erlöser fand. Aber selbst dann ließ mich Ziggy nicht los.
Wir haben uns in den letzten Jahren nicht viel gesehen. Unser Leben war zu angefüllt mit dem, was in der Gegenwart geschah.
Aber das hieß nicht, dass wir die Vergangenheit verwarfen.
Ziggy blieb in vielerlei Hinsicht ein Prüfstein für mich. Ich will nicht so tun, als hätte ich alle seine Entscheidungen gebilligt. Ich würde als Heuchler dastehen, wenn ich das täte. Aber hier und heute spielt all das keine Rolle. Es zählt nur, dass mein Freund tot ist und mit seinem Tod ein Licht aus meinem Leben gewichen ist. Für jeden von uns wäre es ein großer Verlust, das Licht zu verlieren. Und deshalb betrauere ich heute, dass ein Mann von uns gegangen ist, der mir den Weg zur Erlösung so viel leichter gemacht hat. Für Ziggys Andenken kann ich nur versuchen, das Gleiche für jeden anderen zu tun, der in Not ist und meinen Weg kreuzt. Wenn ich heute irgendjemandem hier helfen kann, dann kommen Sie ohne Zögern zu mir und sprechen Sie mich an. Um Ziggys willen.« Weird sah sich mit einem seligen Lächeln im Raum um. »Ich danke dem Herrn für das Geschenk von Sigmund Malkiewicz. Amen.«
Okay, dachte Alex. Am Ende ist er doch wieder zu seinem Muster zurückgekehrt. Aber Weird hatte Ziggy auf seine Art und Weise große Ehre erwiesen. Als sich sein Freund wieder setzte, drückte Alex ihm die Hand, und Weird hielt sie fest.
Danach gingen sie hintereinander hinaus und blieben kurz stehen, um Paul und Karel Malkiewicz die Hand zu schütteln.
Sie traten in das schwache Sonnenlicht hinaus und ließen sich von der Menge an den Blumen und Kränzen vorbeischieben.
Obwohl Paul gebeten hatte, dass nur die Familie Blumen schicken solle, waren zwei Dutzend Bukette und Kränze da. »Er hatte so eine Art, uns das Gefühl zu geben, dass wir alle zur Familie gehörten«, sagte Alex vor sich hin.
»Wir waren Blutsbrüder«,
Weitere Kostenlose Bücher