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Echo Einer Winternacht

Titel: Echo Einer Winternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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mit Besorgnis entgegengesehen, aber nach fast fünfundzwanzig Jahren hatte er sich eingeredet, sie würde nie kommen.
    »Sind Sie noch dran?«, fragte Robin. »Ich sagte, ich wollte mit Ihnen über …«
    »Ich habe es gehört«, sagte David schroff. »Ich habe Ihnen nichts zu sagen, nicht jetzt und überhaupt nie. Nicht einmal, wenn Sie mich verhaften. Ihr habt mein Leben einmal zerstört.
    Ich werde euch nicht die Gelegenheit geben, es noch einmal zu tun.« Er knallte den Hörer auf, sein Atem kam in kurzen Stößen, seine Hände zitterten. Er verschränkte die Arme vor der Brust und umfasste die Oberarme. Was war da los? Er hatte keine Ahnung gehabt, dass Barney Maclennan einen Bruder hatte.
    Warum hatte er so lange gewartet, bis er David wegen dieses schrecklichen Nachmittags herausforderte? Und warum brachte er das jetzt zur Sprache? Als er die Wiederaufnahme des ungelösten Falles erwähnt hatte, war David sicher gewesen, dass Maclennan über Rosie Duff sprechen wollte, was empörend genug gewesen wäre. Aber Barney Maclennan? Die Polizei von Fife wollte es doch wohl nach fünfundzwanzig Jahren nicht doch noch als Mord bezeichnen? Er fröstelte wieder und starrte in die Nacht hinaus. Die blinkenden Lichter an den Weihnachtsbäumen in den Häusern an der Straße sahen wie tausend Augen aus, die ihn anstarrten. Er sprang auf und zog mit einem heftigen Ruck die Gardinen im Arbeitszimmer zu. Dann lehnte er sich mit geschlossenen Augen und pochendem Herzen gegen die Wand. David Kerr hatte sein Bestes getan, die Vergangenheit zu vergessen. Er hatte alles versucht, was ihm möglich war, um sie fern zu halten. Aber offenbar war das nicht genug gewesen. Es gab also nur noch eine Möglichkeit. Die Frage war nur, ob er wagen würde, sie zu nutzen?
     
    26
    as Licht im Arbeitszimmer war plötzlich hinter den schweren Übergardinen ve
    D
    rschwunden. Der Beobachter
    runzelte die Stirn. Das wich vom gewohnten Muster ab und missfiel ihm. Er überlegte, was diese Abweichung verursacht haben könnte. Aber sonst lief alles wie immer ab. Die Lichter im unteren Stockwerk gingen aus. Die Reihenfolge kannte er schon.
    Eine Lampe wurde im vorderen großen Schlafzimmer der Villa in Bearsden gelöscht, dann erschien die Gestalt von David Kerrs Frau am Fenster. Sie zog die schweren Vorhänge vor, die selbst den schwächsten Lichtschimmer nach draußen abhielten. Fast gleichzeitig fiel dann ein ovaler Lichtkegel vom Badezimmer, vermutete er, auf das Garagendach. David Kerr beim Waschen vor dem Zubettgehen. Aber wie Lady Macbeth würde er seine Hände nie reinwaschen können. Etwa zwanzig Minuten später würde das Licht im Schlafzimmer ausgehen. Heute Abend würde nichts mehr geschehen. Graham Macfadyen drehte den Schlüssel im Zündschloss und fuhr in die Nacht hinaus. Er bekam langsam ein Gespür für David Kerrs Leben, wollte aber noch viel mehr wissen. Warum war er zum Beispiel nicht wie Alex Gilbey nach Seattle geflogen? Das war herzlos. Wie konnte man jemandem die letzte Ehre verweigern, der nicht nur einer seiner ältesten Freunde, sondern auch ein Mittäter war?
    Es sei denn, es hätte irgendein Zerwürfnis gegeben. Man hörte oft davon, dass Diebe sich überwarfen. Und für Mörder wäre das noch viel typischer. Durch den zeitlichen Abstand und die räumliche Entfernung war es wohl zu einem solchen Bruch gekommen. Unmittelbar nach ihrer Tat hatte es nichts dergleichen gegeben. Er wusste das jetzt durch seinen Onkel Brian.
    Die Erinnerung an dieses Gespräch lief die meiste Zeit, solange er wach war, im Hintergrund seines Kopfes wie die Perlenreihe an einer Kette ab, die er ständig durch die Finger gleiten ließ, um sich damit seine Entschlossenheit zu bestätigen. Er hatte ja nur seine Eltern finden wollen und hätte nie erwartet, dass er sich bei dieser Suche nach einer höheren Wahrheit förmlich verzehren würde. Aber er verzehrte sich wirklich. Andere mochten dies als Besessenheit abtun, aber das war eben typisch für Leute, die weder die Bedeutung einer Bindung noch das tiefe Verlangen nach Gerechtigkeit begriffen. Er war überzeugt, dass der ruhelose Schatten seiner Mutter ihn beobachtete und ihn anspornte, das zu tun, was getan werden musste. Es war der letzte Gedanke, bevor der Schlaf ihn übermannte, und der erste, wenn er erwachte.
    Jemand musste dafür büßen.
    Sein Onkel war nicht gerade begeistert gewesen von ihrer Begegnung auf dem Friedhof. Zuerst hatte Macfadyen gedacht, der ältere Mann würde handgreiflich

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