Echo Einer Winternacht
Janice ihn ein. »Ich frage mich, warum sie vor ihrer Mutter verheimlichte, mit wem sie ausging«, sagte sie.
Shaw zuckte die Schultern. »Vielleicht hatte der Bruder recht.
Vielleicht war es ein verheirateter Mann.«
»Aber wenn sie die Wahrheit gesagt hat? Wenn es keiner war?
Um welchen anderen Mann würde sie so ein Geheimnis machen?«
»Du bist doch eine Frau, Janice. Was meinst du denn?« Shaw ging weiter durch den kleinen Raum, in dem der Kollege arbeitete, der die lokale Kriminalkartei führte. Das Büro war jetzt mitten in der Nacht leer, aber die Schränke mit den alphabetisch geordneten Karteikarten waren unverschlossen, so dass jeder Zugriff darauf hatte.
»Na ja, wenn es schon eine Vorgeschichte mit ihren Brüdern gab, die unerwünschte Männer in die Schranken wiesen, müsste ich mir überlegen, was für Männer Colin und Brian als unerwünscht betrachten würden«, sinnierte sie.
»Und welche wären das?«, fragte Shaw und zog die Schublade heraus, auf der »D« stand. Er begann mit seinen überraschend langen, schlanken Fingern die Karten durchzublättern.
»Also, mal laut gedacht … Wenn man sich die Familie ansieht, diese zugeknöpfte Fifer Achtbarkeit … dann würde ich meinen, alle, die sie für unter ihrer Würde oder zu hochgestellt betrachten.«
Shaw drehte sich zu ihr um. »Das schränkt es ja wirklich beträchtlich ein.«
»Ich sagte ja, ich denke jetzt mal laut«, murmelte sie. »Wenn es irgendein Penner wäre, würde sie wahrscheinlich denken, dass er sich gegen ihre Brüder behaupten könnte. Aber wenn es ein bisschen was Kultivierteres war …«
»Was Kultivierteres? Ein nobles Wort für eine, die in Uniform steckt, Janice.«
»Uniformiert heißt nicht, dass jemand blöd ist, DC Shaw.
Vergiss nicht, dass du selbst vor nicht allzu langer Zeit Uniform getragen hast.«
»Okay, okay. Bleiben wir bei kultiviert. Du meinst, zum Beispiel ein Student?«, fragte Shaw.
»Genau.«
»Wie die, die sie gefunden haben?« Er wandte sich wieder seiner Suche zu.
»Das würde ich nicht ausschließen.« Janice lehnte sich an den Türrahmen. »Sie hatte bei ihrer Arbeit jede Menge Gelegenheit, Studenten kennen zu lernen.«
»Hier ist es«, sagte Shaw und zog zwei Karten aus der Schublade. »Ich dachte doch, Colin Duff klingt irgendwie bekannt.«
Er las die erste Karte und gab sie dann an Janice weiter. In ordentlicher Handschrift stand da: Colin James Duff. Geb. 5. 3.
55, wohnhaft in: Caberfeidh Cottage, Strathkinness. Beschäftigt in Guardsbridge in der Papierfabrik als Gabelstaplerfahrer.
9/74 Trunkenheit am Steuer und ordnungswidriges Verhalten, Strafe von 25 Pfund, 5/76 öffentliche Ruhestörung, Verwarnung.
6/78 Geschwindigkeitsüberschreitung, Bußgeld 37 Pfund. Oft in Gesellschaft von Brian Stuart Duff Bruder, und Donald Angus Thomson. Janice drehte die Karte um. In der gleichen Handschrift, aber diesmal mit Bleistift, so dass es wegradiert werden konnte, sollte es jemals als Beweisstück angefordert werden, las sie: Duff schlägt sich gern, wenn er getrunken hat.
Er ist geschickt mit den Fäusten, schafft es aber, sich aus der Schusslinie zu halten. Etwas brutal, nicht unehrlich, aber nicht ganz einfach im Umgang.
»Also, bei so einem würde man sich nicht wünschen, dass er Umgang mit einem sensiblen Freund von der Uni hat«, äußerte Janice, als sie die zweite Karteikarte von Shaw nahm. Brian Stuart Duff. Geb. 27. 5. 57, wohnhaft Caberfeidh Cottage, Strathkinness. In Guardbridge in der Papierfabrik als Lagerarbeiter beschäftigt. 6/75 Bedrohung, Geldbuße 50 Pfund.
5/76 Bedrohung, drei Monate Haft in Perth. 3/78 öffentliche Ruhestörung, Verwarnung. Pflegt Umgang mit: Colin James Duff, Bruder. Donald Angus Thomson. Als sie die Karte umdrehte, las sie: Der jüngere Duff ist ein Rüpel, der sich für einen echten Mann hält. Sein Strafregister wäre noch viel länger, wenn sein großer Bruder ihn nicht wegschleppen würde, bevor der Ärger richtig losgeht. Er hat früh angefangen – John Stobies gebrochene Rippen und Arm gehen wahrscheinlich auf ihn zurück, Stobie hat sich geweigert, etwas zu sagen, behauptete, er hätte einen Unfall mit dem Fahrrad gehabt. Duff wird verdächtigt, bei einem nicht aufgeklärten Einbruch im Spirituosenladen an West Post 8/78 dabei gewesen zu sein.
Irgendwann wird er für lange Zeit verschwinden. Janice war immer froh über solche persönlichen Notizen, die ihr Sammler von Informationen zu der offiziellen Liste hinzufügte. Wenn man
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