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Echt zauberhaft

Echt zauberhaft

Titel: Echt zauberhaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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dumm…«
    »Ach? Was glauben sie denn?«
    »Angeblich hat der Große Zauberer die Erde lebendig gemacht. Als sich Eins Sonnenspiegel allen Heeren des Kontinents gegenübersah, ließ der Große Zauberer… einen Drachen fliegen.«
    »Klingt vernünftig«, kommentierte Rincewind. »Wenn ein Krieg droht, sollte man sich diesen Tag frei nehmen. Das ist mein Motto.«
    »Du verstehst nicht. Es war ein ganz besonderer Drachen. Er fing die Blitze des Himmels, und der Große Zauberer verstaute sie in Flaschen, und er nahm den Schlamm und buk daraus mit Hilfe der Blitze neue Krieger.«
    »Hab nie von einer Zauberformel gehört, mit der man so etwas bewerkstelligen kann.«
    »Außerdem haben die Bauern seltsame Vorstellungen von der Reinkarnation…«
    Kein Wunder, fand Rincewind. Vermutlich vertrieben sie sich mit solchen Überlegungen während der langen Wasserbüffelstunden die Zeit: He, wenn ich wiedergeboren werde, möchte ich jemand sein, der… die Leine eines Wasserbüffels hält und in eine andere Richtung schaut.
    »Äh… nein«, sagte Zweiblum. »Sie glauben nicht daran, daß man zurückkehrt. Äh… ich fürchte, ich benutze nicht die richtigen Worte. Bin in Hinsicht auf deine Sprache ein wenig eingerostet. Ich meine Präinkarnation. Das ist wie Reinkarnation, nur rückwärts. Die Bauern glauben, daß man geboren wird, bevor man stirbt.«
    »Tatsächlich?« Rincewind kratzte am Stein. »Erstaunlich! Sie glauben, daß man geboren wird, bevor man stirbt? Ein Leben vor dem Tod? Oh, die Leute sind sicher sehr aufgeregt, wenn sie davon hören.«
    »Nein, ich meine… es hat mit den Vorfahren zu tun. Man sollte die Vorfahren immer ehren, weil man eines Tages zu ihnen gehört, und… Hörst du mir überhaupt zu?«
    Das winzige Stück Mörtel fiel zu Boden. Nicht schlecht für zehn Minuten Arbeit, dachte Rincewind. Vielleicht schaffen wir’s bis zur nächsten Eiszeit, den Kerker zu verlassen.
    Er erkannte, daß er an der Mauer arbeitete, hinter der Zweiblums Quartier lag. Jahrtausendelang zu kratzen, nur um in eine andere Kerkerzelle zu kommen… das war Zeitverschwendung.
    Er wandte sich einer anderen Wand zu. Kratz… kratz…
    Irgendwo erklang ein schrecklicher Schrei.
    Kratzkratzkratz…
    »Offenbar ist der Kaiser erwacht«, tönte Zweiblums Stimme aus dem Loch in der Mauer.
    »Und er hat gleich mit der Morgenfolter begonnen«, erwiderte Rincewind. Er nahm einen Steinsplitter und hämmerte damit gegen die Wand.
    »Eigentlich ist es nicht seine Schuld. Es fällt ihm schwer zu verstehen, was andere Menschen ausmacht.«
    »Ach?«
    »Du weißt sicher, daß Kinder während einer bestimmten Phase ihrer Entwicklung dazu neigen, Fliegen die Flügel auszureißen und so.«
    » Ich habe so etwas nie getan«, sagte Rincewind. »Man darf Fliegen nicht trauen. So klein sie auch sind – sie können sehr gemein werden.«
    »Kinder allgemein, meine ich.«
    »Ja und?«
    » Er ist der Kaiser. Niemand hat je gewagt, ihn darauf hinzuweisen, daß so etwas falsch ist. Er reißt Flügel auf einem anderen… äh… Niveau aus. Die fünf Familien kämpfen gegeneinander um den Thron. Und der Kaiser hat aus dem gleichen Grund seinen Neffen umgebracht. Nie hat ihm jemand gesagt, daß es falsch ist, andere Personen aus Spaß zu töten. Zumindest hat niemand Gelegenheit gehabt, mehr als nur den ersten Satz zu sagen. Die Hongs, Fangs, Tangs, Sungs und McSweeneys sind schon seit Jahrtausenden damit beschäftigt, sich gegenseitig umzubringen. Es gehört gewissermaßen zur politischen Tradition des Achatenen Reiches.«
    »Die McSweeneys?«
    »Eine sehr alte, adlige Familie.«
    Rincewind nickte bedrückt. Wenn man ein System hatte, in dem sich heimtückische Mörder durchsetzten, bekam man früher oder später sehr fähige heimtückische Mörder. Irgendwann wurde es gefährlich, sich über eine Wiege zu beugen…
    Erneut ertönte ein Schrei.
    Rincewind trat nach den Mauersteinen.
    Ein Schlüssel drehte sich im Schloß.
    »Oh«, sagte Zweiblum.
    Doch die Tür öffnete sich nicht.
    Schließlich gab sich Rincewind einen inneren Ruck, trat näher und griff nach dem großen Eisenring.
    Die Tür schwang nach außen auf. Aber nicht ganz, weil der Leib eines liegenden Wächters einen wirkungsvollen Türanschlag bildete.
    Ein Schlüssel steckte im Schloß, verbunden mit einem Stahlring, an dem weitere Schlüssel hingen.
    Ein unerfahrener Gefangener wäre jetzt einfach losgelaufen. Doch Rincewind hatte die Kunst des Überlebens zur Meisterschaft entwickelt und

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