Echt zauberhaft
einmal ein richtiger Zauberer! Die Prüfung, die er besteht,
muß erst noch erfunden werden.«
»Ich glaube, er ist wach«, sagte jemand.
Rincewind gab nach und hob die Lider. Mehrere runde, rosarote und
bärtige Gesichter blickten auf ihn herab.
»Wie fühlst du dich, alter Knabe?« fragte jemand und streckte die Hand
aus. »Ich heiße Ridcul y und bin der Erzkanzler. Wie geht’s dir?«
»Es geht alles schief«, erwiderte Rincewind.
»Wie meinst du das, Junge?«
»Ich weiß es. Al es geht schief. Es war zu schön, um auf Dauer so zu
bleiben. Bestimmt passiert bald etwas Gräßliches.«
»Na bitte«, brummte der Dekan. »Hunderte von kleinen Beinen. Ich
hab’s ja gesagt. Und du wol test nicht auf mich hören.«
Rincewind setzte sich auf. »Fangt bloß nicht an, nett zu mir zu sein.
Bietet mir keine Weintrauben an. Nie will mich jemand für was Nettes.«
Verwirrte Erinnerungen an die jüngste Vergangenheit zogen durchs Zen-
trum seines Selbst, und er brachte flüchtiges Bedauern mit dem Umstand
in Verbindung, daß die Sehnsucht nach Kartoffeln für die junge Dame
nicht annähernd so bedeutsam gewesen war wie für ihn. Jetzt wurde ihm
klar: Wer sich so kleidete, vergeudete kaum Gedanken an irgendwelche
im Boden wachsende Gemüsesorten.
Er seufzte. »Na schön. Was geschieht jetzt?«
»Wie fühlst du dich?«
Rincewind schüttelte den Kopf. »Es hat keinen Zweck. Ich verab-
scheue es, wenn die Leute nett zu mir sind. Es bedeutet, daß ich mit
Entsetzlichem rechnen muß. Wie wär’s, wenn du ein wenig schreist?«
Ridcully hatte genug. »Raus aus dem Bett, du Faulpelz! Wenn du mir
nicht sofort folgst, wirst du es bitter bereuen!«
»Ah, das ist schon besser«, sagte Rincewind verdrießlich. »Jetzt weiß
ich, daß ich daheim bin. Eine so freundliche Atmosphäre herrscht nur zu
Hause.« Er schwang die Beine über den Rand des Bettes und stand vor-
sichtig auf.
Ridcully verharrte auf halbem Wege zur Tür und sah die anderen Zau-
berer an.
»Runen?«
»Ja, Erzkanzler?« entgegnete der Dozent für neue Runen unschuldig.
»Was versteckst du da hinter dem Rücken?«
»Ich verstehe nicht, Erzkanzler…«
»Sieht nach einem Werkzeug aus«, meinte Ridcully.
»Ach, das hier«, staunte der Dozent für neue Runen und gab vor, den vier Kilo schweren Hammer erst jetzt zu bemerken. »Na, so was… Das
ist ein Hammer, nicht wahr? Potzblitz. Ein Hammer. Äh… ich nehme
an, ich habe ihn irgendwo aufgelesen. Um… äh… Ordnung zu schaf-
fen.«
»Außerdem ist es meiner Aufmerksamkeit nicht entgangen, daß der
Dekan versucht, eine Streitaxt zu verbergen«, sagte Ridcully.
Dicht hinter dem Obersten Hirten machte etwas Boing.
»Und das klang nach einer Säge«, fuhr Ridcul y fort. »Gibt es hier je-
manden, der nicht mit irgendwelchen Werkzeugen bewaffnet ist? Na
schön. Würdet ihr mir bitte erklären, was der Unsinn sol ?«
»Ha, du weißt nicht, wie’s gewesen ist.« Der Dekan mied den Blick des
Erzkanzlers. »Dauernd mußten wir das Schlimmste befürchten. Immer
wieder hörten wir das Trippeln der vielen Füße und…«
Ridcully schenkte ihm keine Beachtung. Er legte Rincewind den Arm
um die knochigen Schultern und führte ihn zum Großen Saal.
»Nun, Rincewind…«, sagte er. »Es heißt, du bist nicht besonders gut in
der Magie.«
»Stimmt.«
»Du hast nie eine Prüfung bestanden oder so?«
»Nein, nie.«
»Und doch nennen dich al e Rincewind den Zauberer.«
Rincewind sah zu Boden. »Nun, ich habe hier als stellvertretender Bi-
bliothekar gearbeitet…«
»… als Gehilfe eines Affen…«, warf der Dekan ein.
»… erledigte praktisch alles, was so an Arbeit anfiel…«
»Habt ihr nicht gehört? ›Gehilfe eines Af en‹? Klingt doch nicht schlecht, oder?«
»Aber du hast nie das Recht erworben, dich Zauberer nennen zu dür-
fen?« fragte Ridcul y.
»Äh, nicht in dem Sinne.«
»Ich verstehe. Das ist ein Problem.«
»Ich habe einen Hut, auf dem ›Zaubberer‹ steht«, sagte Rincewind
hoffnungsvol .
»Ich fürchte, das ist keine große Hilfe. Hmm. Diese Sache bringt uns in
eine unangenehme Situation. Mal sehen… Wie lange kannst du den
Atem anhalten?«
»Keine Ahnung. Zwei Minuten oder so. Ist das wichtig?«
»Diese Fähigkeit gewinnt eine gewisse Bedeutung, wenn man mit den
Füßen nach oben an einen Pfeiler der Messingbrücke gebunden wird
und zwei Fluten überstehen muß, um anschließend enthauptet zu wer-
den. Das ist die gesetzlich vorgeschriebene
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