Echt zauberhaft
Perspektive, die zu den Basisprogrammen des
menschlichen Gehirns gehört.
In Steppen und auf weiten Ebenen, im wolkenverhangenen Dschungel
und in stillen roten Wüsten, in Sümpfen und Mooren… Überall dort, wo
etwas mit einem »Plop« von schwimmenden Baumstämmen springt,
wenn man sich nähert, kommt es zu Beginn der Stammesmythologie zu
folgender (oder ähnlicher) Szene:
»Hast du das gesehen?«
»Was denn?«
»Da ist was von dem Baumstamm gesprungen. Mit einem Plop.«
»Ja? Und?«
»Ich schätze… ich schätze… he, ich schätze, eins von den Biestern trägt die Welt auf dem Rücken.«
Es folgen einige Sekunden Stille, während über diese astrophysikalische
Hypothese nachgedacht wird. Dann…
»Die ganze Welt?«
* Mit einem Durchmesser von etwa fünfzehn Zentimetern.
»Wenn ich ›eins von den Biestern‹ sage, meine ich natürlich ein beson-
ders großes.«
»Ja, es müßte wirklich ziemlich groß sein.«
»Richtig riesig.«
»Komisch, aber… Ich verstehe, was du meinst.«
»Ergibt doch einen Sinn, oder?«
»Ja. Die Sache ist nur…«
»Was?«
»Hoffentlich macht das große Biest nicht ebenfal s Plop.«
Aber dies ist die Scheibenwelt, und sie wird nicht nur von einer riesigen Schildkröte getragen, sondern auch von vier großen Elefanten, auf deren
Rücken sie sich langsam dreht.*
Da erstreckt sich das Runde Meer, etwa auf halbem Weg zwischen Mit-te und Rand, gesäumt von Ländern, die nach Ansicht der Historiker die
zivilisierte Welt bilden, das heißt eine Welt, die sich Historiker leisten
kann: Ephebe, Tsort, Omnien, Klatsch und der wuchernde Stadtstaat
Ankh-Morpork.
Dies ist eine Geschichte, die woanders beginnt, dort, wo jemand auf
einem Floß liegt, das in einer blauen Lagune unter einem sonnigen
Himmel treibt. Der Mann hat die Hände hinterm Kopf gefaltet und ist
glücklich – in seinem Fall ein einzigartiges, völlig neues Empfinden. Er
summt eine fröhliche Melodie und läßt die Füße ins kristallklare Wasser
baumeln.
Die Füße sind rosarot, ihre Zehen wackeln immer wieder.
Aus dem Blickwinkel eines Hais gesehen, der langsam übers Riff glei-
tet, sind sie die Einladung zum Büfett.
Wie üblich war es eine Frage des Protokol s. Beziehungsweise der Dis-
* Viele Leute fragen sich, wie so etwas möglich ist. Immerhin gibt es keinen irdischen Elefanten, der eine sich drehende Last über längere Zeit hinweg tragen kann, ohne daß er Reibungswunden bekommt. Nun, ebensogut könnte man
fragen, warum die Achse eines Planeten nicht quietscht, wohin die Liebe verschwindet und wie die Farbe Gelb klingt.
kretion. Oder der sorgfältigen Etikette. Und letztendlich des Alkohols.
Besser gesagt: der Illusion von Alkohol.
Als oberster Herrscher von Ankh-Morpork konnte Lord Vetinari dem
Erzkanzler der Unsichtbaren Universität jederzeit befehlen, zu ihm zu
kommen. Er war auch berechtigt, ihn bei Ungehorsam hinrichten zu
lassen.
Andererseits hatte Mustrum Ridcul y als Oberhaupt der Zauberer mit
höflicher Deutlichkeit darauf hingewiesen, daß er den Patrizier jederzeit
in eine kleine Amphibie verwandeln konnte, um anschließend mit einem
Sitzbal durchs Zimmer zu hüpfen.
Alkohol überbrückte die diplomatische Kluft. Manchmal lud Lord Ve-
tinari den Erzkanzler zu einem Gläschen in den Palast ein. Ridcul y
nahm solche Einladungen natürlich an, da es sehr unfreundlich gewesen wäre, sie einfach zu ignorieren. Al e verstanden die Situation und versuchten immer, freundlich zu sein – was Unruhen in der Bevölkerung und Schleim auf dem Teppich vorbeugte.
Es war ein herrlicher Nachmittag. Lord Vetinari saß im Palastgarten
und beobachtete die Schmetterlinge mit verärgert gerunzelter Stirn. Er
fand es unverschämt, daß sie einfach so herumflatterten und sich ihres
Lebens erfreuten, ohne irgendwelche Pflichten wahrzunehmen.
Nach einer Weile hob er den Kopf.
»Oh, Erzkanzler«, sagte er. »Freut mich, dich zu sehen. Nimm Platz.
Ich hoffe, es geht dir gut.«
»Ich kann nicht klagen«, erwiderte Mustrum Ridcully. »Und du? Bist du
bei guter Gesundheit?«
»Ich habe mich nie besser gefühlt. Nun, wie ich sehe, ist das Wetter
wieder besser geworden.«
»Morgen sol es noch schöner sein.«
»Eine Schönwetterperiode könnten wir gut gebrauchen.«
»In der Tat.«
»Ja.«
»Ah…«
»Gewiß.«
Sie beobachteten die Schmetterlinge. Ein Diener brachte kühle Drinks.
»Was stellen sie eigentlich mit den Blumen an?« fragte Lord Vetinari.
»Wie
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