Echt zauberhaft
wie ich sehe, verstehst du allmählich.«
Mustrum Ridcully verfügte zwar über ein großes und recht leistungsfä-
higes Gehirn, doch mit Doppeldeutigkeiten konnte er nur wenig anfan-
gen. Er betrachtete den tückisch wirkenden Schnabel.
»Sieht ganz wie ein verdammter Albatros aus«, murmelte er. »Und eben
hast du noch gesagt, es sei einer. Ich habe gefragt ›Ist das kein…‹«
Der Patrizier winkte verärgert ab. »Vergeude keine Zeit mit ornitholo-
gischen Studien. Wichtig ist vor al em dieser Zettel, den der Nachrich-
tenbeutel des Vogels enthielt…«
»Du meinst, er enthielt ihn nicht?« fragte Ridcul y und bemühte sich, den Sinn in der ganzen Sache zu erkennen.
»Ja. Genau das meine ich. Und hier ist er nicht. Sieh dir das an.«
Lord Vetinari reichte dem Erzkanzler ein Blatt.
»Da hat jemand kleine Bilder gemalt«, stellte Ridcully fest.
»Das sind achatene Piktogramme«, erläuterte der Patrizier.
»Du meinst, das sind keine achatenen Piktogramme?«
»Ja, ja, natürlich.« Lord Vetinari seufzte. »Offenbar kennst du dich gut
mit den wesentlichen Aspekten der Diplomatie aus. Nun, was hältst du
davon?«
»Sieht nach Klecks, Klecks, Klecks, Klecks, Zaubberer aus«, sagte Rid-
cully.
»Und was schließt du daraus?«
»Hier hat sich jemand für Kunst entschieden, weil er mit dem Buchsta-
bieren nicht zurechtkam. Wer hat das geschrieben? Oder gemalt?«
»Keine Ahnung. Früher haben die Großwesire gelegentlich Mitteilun-
gen geschickt, doch in jüngster Zeit muß es ein ziemliches Durcheinan-
der gegeben haben. Du hast sicher bemerkt, daß eine Unterschrift fehlt.
Wie dem auch sei, ich kann die Nachricht nicht einfach ignorieren.«
»Zaubberer, Zaubberer«, murmelte Ridcul y nachdenklich.
»Die Piktogramme bedeuten: ›Schickt uns sofort den Großen‹«, über-
setzte Lord Vetinari.
»… Zaubberer…«, wiederholte Ridcully leise und klopfte auf den Zet-
tel.
Der Patrizier warf dem Albatros eine Sardelle zu, die der Vogel gierig
verschlang.
»Die Streitkräfte des Reiches sind eine Million Mann stark«, sagte er.
»Zum Glück finden die Herrscher Gefal en daran zu behaupten, daß sich
jenseits der Grenzen nur weite Wüsten erstrecken, deren einzige Bewoh-
ner Vampire und Geister sind. Normalerweise interessieren sie sich nicht
für unsere Angelegenheiten. Worüber wir uns freuen können, denn die
Regenten des Achatenen Reiches sind schlau, reich und mächtig. Offen
gesagt, hatte ich gehofft, daß sie uns völ ig vergessen haben. Und jetzt
dies. Wir sollten die angeforderte Person so schnel wie möglich auf die
Reise schicken – um zu vermeiden, daß sich Probleme für uns ergeben.«
»Zaubberer…«, brummte Ridcul y.
»Möchtest du vielleicht Urlaub machen?« fragte der Patrizier hoff-
nungsvoll.
»Ich? Nein. Vertrage kein ausländisches Essen«, entgegnete Ridcully
rasch, um dann noch einmal zu wiederholen: »Zaubberer…«
»Das Wort scheint dich zu faszinieren«, sagte Lord Vetinari.
»Ich habe es schon einmal auf diese Weise geschrieben gesehen«, erwi-
derte Ridcul y. »Aber wo? Ich erinnere mich nicht mehr daran.«
»Bestimmt fäl t es dir wieder ein. Und ich bin sicher, du schickst den
Großen Zauberer – wie auch immer er geschrieben wird – bis heute
abend zum Reich.«
Ridcullys Kinnlade klappte nach unten.
»Zehntausend Kilometer? Mit Magie? Weißt du, wie schwierig das ist?«
»Ich genieße meine diesbezügliche Unwissenheit«, sagte Lord Vetinari.
»Außerdem sind die Leute dort… äh… ausländisch«, fuhr Ridcully
fort. »Und ich dachte, sie hätten selbst Zauberer.«
»Davon ist mir nichts bekannt.«
»Wissen wir, warum der Große Zauberer geschickt werden sol ?«
»Nein. Aber sicher gibt es jemanden, den du entbehren kannst. In der
Universität mangelt es nicht an Zauberern.«
»Viel eicht steckt irgendein gräßlicher ausländischer Zweck dahinter«,
spekulierte Ridcully. Der Dekan watschelte an seinem inneren Auge vor-
bei, daraufhin erhel te sich die Miene des Erzkanzlers. »Viel eicht genügt
ein großer Zauberer, was meinst du?«
»Das überlasse ich ganz dir. Ich möchte heute abend nur dem Albatros
eine Antwort mitgeben können, in der es heißt, daß der Große Zauberer
auf dem Weg ist. Und anschließend vergessen wir die ganze Sache.«
»Es wäre sehr schwierig, den Betreffenden wieder zurückzuholen«, sag-
te Ridcully. Erneut dachte er an den Dekan. »Praktisch unmöglich«, fügte
er unangemessen
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