Echt zauberhaft
Möglichkeit, einen Sicherheit
verheißenden Posten im öffentlichen Dienst zu bekommen. Es hieß, ein
solches System sei deshalb begrüßenswert, weil es Leistung und Ver-
dienst belohne.
Rincewind griff nach einem Blatt.
Die Überschrift lautete: »Prüfung für die Stelle des stellvertretenden
Nachtbodenbearbeiters im Distrikt W’ung.«
Er las die erste Frage. Sie forderte den Prüfling auf, ein sechzehn Zei-
len langes Gedicht über Abendnebel und Schilf zu schreiben.
Die zweite Frage betraf die Bedeutung der Metaphern in einem Buch,
von dem Rincewind noch nie etwas gehört hatte.
In der dritten Frage ging es um Musik…
Rincewind drehte das Blatt mehrmals hin und her, hielt jedoch vergeb-
lich nach Wörtern wie »Kompost«, »Eimer« oder »Schubkarre« Aus-
schau. Vermutlich bekam man mit diesem System bessere Leute als mit
der Ankh-Morpork-Methode, in der die Frage genügte: »Du hast doch
eine eigene Schaufel, oder?«
Das Geschrei ließ allmählich nach. Rincewind riskierte einen Blick
durch die Tür. Draußen ging es ziemlich lebhaft zu, aber es schien kei-
nen direkten Zusammenhang mit Rincewind zu geben.
Er lief los.
Die Prüflinge setzten die Prüfung fort. Ein besonders einfal sreicher
Kandidat für den Posten des Nachtbodenbearbeiters rollte das Hosen-
bein hoch und schrieb ein Gedicht über Nebel ab, das er vor einiger Zeit
unter erheblichen Mühen verfaßt hatte. Nach einer Weile wußte man,
welche Fragen bei derartigen Prüfungen zu erwarten waren.
Rincewind setzte seinen Weg fort, darauf bedacht, durch Gräben zu
laufen, wenn der Schlamm darin ihm nicht gerade bis zu den Knien
reichte. In einer derartigen Landschaft konnte er sich kaum verstecken.
Das achatene Getreide wuchs überal dort, wo Samenkörner nicht fort-
rollen konnten. Abgesehen von einigen Felsen gab es praktisch nichts,
das Sichtschutz gewährte.
Niemand schenkte Rincewind mehr als nur beiläufige Aufmerksamkeit,
als er das Dorf verlassen hatte. Gelegentlich drehte ein Wasserbüffellei-
nenhalter den Kopf und sah ihm eine Zeitlang nach – immerhin war er
ein geringfügig interessanterer Anblick als ein Wasserbüffel, der seinen
Darm entleerte.
Rincewind achtete darauf, daß er sich nicht zu weit von der Straße ent-
fernte. Am Abend erreichte er eine Kreuzung.
Dort gab es eine Taverne.
Seit dem Leoparden hatte er nichts mehr gegessen. Die Taverne bedeu-
tete eine Mahlzeit, doch eine Mahlzeit bedeutete auch Geld. An Appetit
mangelte es ihm nicht, wohl aber an Münzen.
Er tadelte sich wegen dieses negativen Denkens. Man mußte anders an
die Sache herangehen. Wenn er das Gasthaus betrat und sich dort ein
leckeres Essen bestellte… war er danach nicht hungrig und mittellos,
sondern satt und mittellos – zweifellos eine Verbesserung seiner gegen-
wärtigen Situation. Natürlich mußte er damit rechnen, daß die Welt den
einen oder anderen Einspruch erhob. Aber nach Rincewinds Erfahrun-
gen gab es nur wenige Probleme, die sich nicht mit einem Schrei und
einem guten Sprint lösen ließen. Außerdem hätte er dann ja gerade eine
stärkende Mahlzeit eingenommen.
Rincewind mochte die Küche des Achatenen Reiches. Einige Flücht-
linge hatten in Ankh-Morpork Restaurants eröffnet, und er hielt sich für
eine Art Experten, was achatene Speisen* anging.
Dichte Rauchschwaden zogen durch den Schankraum, in dem ziemlich
viele Gäste saßen, soweit sich das in dem Qualm feststellen ließ. Zwei
Alte hockten vor einem komplizierten Berg aus elfenbeinfarbenen Plätt-
chen und spielten Shibo Yangcong-san. Was auch immer sie rauchten: Ihre Mienen verrieten, daß sie großen Gefal en daran fanden.
Rincewind näherte sich dem Kamin, wo ein dürrer Mann in einem
großen Kochtopf rührte.
Er bedachte ihn mit einem fröhlichen Lächeln. »Guten Morgen! Ich
hätte gern eine Portion der berühmten Köstlichkeit ›Mahlzeit A für zwei
* Er kannte zum Beispiel die »Spezialität aus glänzendem braunen Zeug«, die
»Spezialität aus glänzendem und knusprigem orangefarbenen Zeug« und die
»Spezialität aus weichen weißen Klumpen«.
Personen mit zusätzlichem Garnelenkeks‹.«
»Nie davon gehört.«
»Äh… könnte ich viel eicht… ein schmerzendes Ohr bekommen? Das
Quaken eines Frosches…? Die… Speisekarte?«
»Was meinst du mit Speisekarte, Freund?«
Rincewind nickte. Er wußte, was sich anbahnte, wenn man von einem
Fremden »Freund« genannt wurde. Mit Freundlichkeit und
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