Echt zauberhaft
ein wenig zur Seite.
»Kennt ihr auch den berühmten Ausspruch des Großen Zauberers Rin-
cewind?«
»Nein«, antwortete Lotosblüte. »Aber ich ihn gern hören würde«, fügte
sie höflich hinzu.
»Er lautet: Lebt wooooooohl…«
Seine Sandalen rutschten über das Kopfsteinpflaster, doch Rincewind
hatte bereits auf eine recht hohe Geschwindigkeit beschleunigt, als er die
Tür erreichte. Sie bestand aus Bambus und gab bereitwil ig nach.
Auf der anderen Seite lag ein Straßenmarkt. Dies war ein Merkmal von
Hunghung, an das er sich später erinnerte: Sobald irgendwo etwas Platz
war, zum Beispiel durch die Passage eines Karrens oder Maultiers,
strömten sofort Menschen hinein, die aus vol em Hals schrien und über
den Preis für eine Ente verhandelten, die mit dem Kopf nach unten
gehalten wurde und laut schnatterte.
Einer seiner Füße geriet in einen Bastkorb mit mehreren Hühnern,
aber er blieb nicht stehen. Auf einem Straßenmarkt von Ankh-Morpork
hätte so etwas zweifellos Kommentare nach sich gezogen, aber hier wa-
ren die Leute schon genug damit beschäftigt, sich anzuschreien. Als Rin-
cewind mit einem gackernden Fuß an den Ständen vorbeihastete, war er
nichts weiter als ein kurzes Ärgernis.
Hinter ihm schlossen sich die Lücken in der Menschenmasse. Wenn
Verfolger etwas riefen, verloren sich ihre Stimmen in dem al gemeinen
akustischen Chaos.
Rincewind hielt erst inne, als er eine von allen anderen übersehene Ni-
sche zwischen zwei Buden entdeckte – links wurden Singvögel verkauft,
rechts bot man in Schüsseln blubberndes Zeug an. Sein Fuß krähte.
Er trampelte auf die Kopfsteine, bis der Käfig endgültig zerbrach. Die
berauschende Luft jäher Freiheit veranlaßte den Hahn, Rincewind gegen
das Knie zu picken und dann fortzuflattern.
Von Verfolgern war weit und breit nichts zu hören. Al erdings hätte
selbst ein Bataillon Trolle mit Blechstiefeln Schwierigkeiten gehabt, sich
von der Geräuschkulisse eines gewöhnlichen Straßenmarkts in Hung-
hung abzuheben.
Der Zauberer kam wieder zu Atem.
Er war wieder auf sich al ein gestellt. Soviel zur Roten Armee. Er be-
fand sich zwar in der Hauptstadt, wo er nicht sein wol te, und früher
oder später standen ihm weitere unangenehme Ereignisse bevor, doch
sie geschahen nicht hier und jetzt. Er brauchte nur Gelegenheit, sich zu orientieren. Wenn er außerdem noch fünf Minuten Vorsprung bekam…
dann blieb den Verfolgern allein sein Staub. Beziehungsweise sein
Schlamm. Von beidem gab’s hier genug.
Nun… dies war also Hunghung…
Straßen in einem für Rincewind verständlichen Sinn schien es hier
nicht zu geben. Gassen führten zu weiteren Gassen, die wegen zahlrei-
cher Verkaufsstände und Buden noch schmaler wurden, als sie es ohne-
hin schon waren. Tiere waren eine bedeutende Komponente der Markt-
population. Wohin Rincewind auch blickte: Immer wieder sah er Käfige
mit Hühnern, Enten in Säcken und seltsame, sich hin und her windende
Geschöpfe in Schalen. An einem Stand bemerkte er mehrere Schildkrö-
ten, die einen Stapel bildeten neben dem Schild: Jeweils nur 3 Rhinu, gut fürs Ying. Das Tier ganz oben bedachte ihn mit einem Blick, der sagte:
»Und du glaubst, schlimm dran zu sein?«
Es ließ sich kaum feststellen, wo die Stände endeten und die Gebäude
begannen. Getrocknete Sachen an einer Schnur konnten Handelswaren
sein oder zum Trocknen aufgehängte Wäsche. Oder ein Mittagessen für
die nächste Woche.
Die Bewohner von Hunghung hielten sich offenbar gern im Freien auf.
Al es deutete darauf hin, daß sie den größten Teil ihres Lebens auf der
Straße verbrachten, und zwar schreiend. Wer stehenblieb und »Äh…
entschuldige bitte« sagte, kam nie voran.
Die Menge teilte sich jedoch, als Gongs schepperten und es mehrmals
knal te. Eine Gruppe in weiße Umhänge gekleideter Personen tanzte
vorbei, warf Feuerwerkskörper und schlug Pfannen und andere Gegen-
stände aus Metal gegeneinander. Der Lärm war tatsächlich ein wenig
lauter als das Treiben auf dem Markt.
Rincewind hatte festgestel t, daß manche Leute ihr Geschrei lange ge-
nug unterbrachen, um ihm einen verblüfften Blick zuzuwerfen. Vielleicht
wurde es Zeit für ihn, sich wie ein Einheimischer zu verhalten.
Er wandte sich an die nächste Person und schrie: »Ziemlich gut, nicht
wahr?«
Die betreffende Person – eine alte Frau mit Strohhut – musterte ihn
voller Abscheu. »Dies ist Herrn Whus Beerdigung«, erwiderte sie
Weitere Kostenlose Bücher