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Echt zauberhaft

Echt zauberhaft

Titel: Echt zauberhaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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schnaufte empört.
    »Sol tet ihr Verrückte nicht besonders rücksichtsvol behandeln?« ent-
    fuhr es ihm.
    »Ihr könnt nur verrückt sein, wenn ihr Papiere habt, die eure Verrückt-
    heit bestätigen«, erwiderte der Hauptmann.
    »Mir reicht’s jetzt«, sagte Cohen. »Ich wußte, daß es nicht klappt, wenn wir auf einen sturen Wächter stoßen.«
    »Unverschämter Bauer!«
    »Ich bin nicht so unverschämt wie meine Freunde hier«, sagte Cohen.
    Die Horde nickte.
    »Damit meint er uns, Plattfuß.«
    »Du kannst uns mal.«
    »Wasisn?«
    »Extrem dummer Soldat.«
    »Wasisn?«
    Die Verwirrung des Hauptmanns wuchs. Die Angewohnheit des Ge-
    horchens war tief in der achatischen Psyche verwurzelt. Aber noch tiefe-
    re Wurzeln hatte die Verehrung der Vorfahren und Respekt gegenüber
    den Älteren. Es erstaunte ihn sehr, daß so alte Leute immer noch auf-recht stehen konnten. Man mußte sie praktisch mit Vorfahren gleichset-
    zen. Zumindest der im Rol stuhl roch wie einer.
    »Bringt sie zum Wachhaus!« rief er.
    Die Mitglieder der Grauen Horde ließen sich abführen und widerstan-
    den der Versuchung, die Soldaten zu überwältigen. Herr Zervelatwurst
    hatte das stundenlang mit ihnen geübt, denn normalerweise durfte man
    ihnen nicht einmal auf die Schulter klopfen, ohne seinen Arm zu riskie-
    ren.
    Im Wachhaus wurde es ziemlich eng. Horde, Wächter und der Rol -
    stuhl des Irren Polterers ließen kaum noch Platz. Einer der Soldaten
    blickte auf den Polterer hinab, der seine Decke zurechtrückte und eine
    finstere Miene schnitt.
    »Was hast du da, Großvater?«
    Ein Schwert schoß hervor und stach in den Oberschenkel des Wäch-
    ters.
    »Wasisn? Was sachta da?«
    »Er hat ›Aargh‹ gesagt, Polterer«, erwiderte Cohen und hielt plötzlich
    ein Messer in der Hand. Eine halbe Sekunde später hatte er den Haupt-
    mann im Fesselgriff, die Klinge an seiner Kehle.
    »Wasisn?«
    »Er hat ›Aargh‹ gesagt.«
    »Wasisn? Ich bin doch gar nicht verheiratet!«
    Cohen drückte etwas fester zu.
    »Nun, Freund«, sagte er, »du kannst es leicht oder schwer haben. Die
    Wahl liegt bei dir.«
    »Blutsaugendes Schwein! Willst du etwa behaupten, daß ich es derzeit
    leicht habe?«
    »Nun, ich schwitze nicht.«
    »Mögest du in interessanten Zeiten leben! Ich sterbe lieber, als meinen
    Kaiser zu verraten!«
    »Wie du meinst.«
    Der Hauptmann brauchte nur einen Sekundenbruchteil, um zu begrei-
    fen: Cohen war ein Mann, der zu seinem Wort stand, und genau das er-
    wartete er auch von anderen Leuten. Wäre ihm etwas mehr Zeit geblie-
    ben, hätte er viel eicht gedacht: Der Sinn der Zivilisation bestand darin,
    die Bedeutung von Gewalt auf die des letzten Mittels zu reduzieren. Für
    einen Barbaren hingegen stand Gewalt nicht nur an erster Stelle, sie
    machte auch besonders viel Spaß. Doch für diese Erkenntnis war es zu
    spät. Tot sank der Hauptmann zu Boden.
    »Ich lebe immer in interessanten Zeiten«, sagte Cohen mit der Zufriedenheit eines Mannes, der dafür sorgt, daß die Zeiten interessant bleiben.
    Er deutete mit dem Messer auf die anderen Wächter. Der Mund des
    entsetzten Herrn Zervelatwurst stand weit offen.
    »Eigentlich sollte ich jetzt die Klinge abwischen«, sagte er. »Aber die
    Mühe kann ich mir sparen, wenn sie wieder dreckig wird. Wenn’s al ein
    nach mir ginge, würde ich euch einfach umbringen. Aber Lehrer hier meint, daß sich das nicht gehört.«
    Einer der Wächter blickte zu seinen Gefährten und kniete dann nieder.
    »Was wünschst du, o Herr?« fragte er.
    »Oh, genau das richtige Material für einen Offizier«, sagte Cohen. »Wie
    heißt du, Junge?«
    »Neun Orangenbäume, Herr.«
    Der Barbar sah zu Herrn Zervelatwurst.
    »Und jetzt?«
    »Nimm ihn gefangen, bitte.«
    »Wie stellt man das an?«
    »Äh… ich schätze, du solltest die Wächter fesseln.«
    »Und ihnen anschließend die Kehlen durchschneiden?«
    »Nein! Nein! Wenn dir jemand auf Gedeih und Verderb ausgeliefert ist,
    darfst du ihn nicht mehr töten.«
    Die Graue Horde starrte den ehemaligen Lehrer an.
    »So verlangt es die Zivilisation«, fügte der hinzu.
    »Du hast doch gesagt, die Burschen hätten überhaupt keine Waffen!«
    keifte Kriecher der Unhöfliche.
    »Ja.« Herr Zervelatwurst schauderte ein wenig. »Deshalb dürft ihr sie
    nicht umbringen.«
    »Seid ihr verrückt? Ihr habt einen Zettel, auf dem steht, daß ihr ver-
    rückt seid, nicht wahr?«
    Cohen kratzte sich das stoppelige Kinn. Die Soldaten beobachteten ihn
    mit wachsender Besorgnis.

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