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Echt zauberhaft

Echt zauberhaft

Titel: Echt zauberhaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Heck des Karrens beisei-
    te.
    Zwei Kisten marschierten durch den Staub. Sie wirkten schlichter und
    abgenutzter als Truhe, aber ganz offensichtlich gehörten sie zur gleichen
    Spezies – wenn diese Bezeichnung auf Gepäckstücke zutraf.
    »Äh… ja.«
    Die Frau ließ los, und Rincewinds Kopf knallte auf den Karrenboden.
    »Hör gut zu«, sagte sie. »Viele schlimme Dinge passieren. Ich glaube
    nicht an Große Zauberer, im Gegensatz zu anderen Leuten – und
    manchmal brauchen die Leute etwas, an das sie glauben können. Wenn sie sterben, weil wir einen Zauberer haben, der nicht sehr groß ist, wirst du
    das sehr bedauern. Viel eicht bist du der Große Zauberer. Wenn nicht…
    dann sol test du al es versuchen, um zu einem großen Zauberer zu wer-
    den. Habe ich mich klar genug ausgedrückt?«
    »Äh… ja.«
    Rincewind war bei vielen Gelegenheiten mit dem Tod konfrontiert
    worden. Oft waren dabei Rüstungen und Schwerter und dergleichen
    involviert. Diesmal sah er sich einer hübschen jungen Frau mit einem
    Messer gegenüber, trotzdem fühlte er sich sehr bedroht.
    »Wir sind ein Reisetheater«, fügte die Dame hinzu. »Das ist sehr prak-
    tisch. Noh-Schauspieler dürfen viel unterwegs sein.«
    »Tatsächlich nicht?« erwiderte Rincewind.
    »Das hast du falsch verstanden. Wir sind Noh-Schauspieler.«
    »So schlecht seid ihr eigentlich gar nicht.«
    »Großer Zauberer, ›Noh‹ ist eine nichtrealistische, symbolische Form
    des Theaters, bei der archaische Sprache, stilisierte Gesten sowie Flöten
    und Trommeln als musikalische Begleitung eingesetzt werden. Du ver-
    stehst es wirklich gut, dich dumm zu stel en. Man könnte fast meinen,
    daß du kein Schauspieler bist.«
    »Entschuldige bitte«, sagte Rincewind. »Wie heißt du?«
    »Hübscher Schmetterling.«
    »Äh… ja?«
    Sie bedachte ihn mit einem finsteren Blick und kroch in den vorderen
    Teil des Karrens.
    Das Rumpeln und Schaukeln setzte sich fort. Rincewind lag mit dem
    Kopf in einem Sack, der nach Zwiebeln roch, und fluchte hingebungs-
    vol . Er verfluchte Frauen mit Messern, die Geschichte im al gemeinen,
    die ganze Fakultät der Unsichtbaren Universität, seine durch Abwesen-
    heit glänzende Truhe sowie die Bevölkerung des Achatenen Reiches. Er
    verfluchte auch und vor al em den Konstrukteur des Karrens. Wer auch
    immer geglaubt hatte, rauhes, splittriges Holz sei das ideale Material für
    den Karrenboden – die gleiche Person schien auch der Ansicht zu sein,
    daß man Räder am besten mit dem Wort »dreieckig« beschrieb.

    Truhe hockte in einem Graben und wurde ohne großes Interesse von
    einem Mann beobachtet, der die Leine eines Wasserbüffels hielt.
    Sie fühlte sich beschämt, verwirrt und… verloren. Verloren deshalb,
    weil um sie herum al es vertraut wirkte: das Licht, die Gerüche, der Bo-
    den… Doch gleichzeitig fehlte das Empfinden von Eigentum und Be-
    sitz.
    Truhe bestand aus Holz. Und Holz reagiert sehr sensibel auf solche
    Dinge.
    Einer der vielen Füße kratzte Striche in den Boden. Es war ein von
    Verlegenheit geschaffenes Zufal smuster, mit dem jeder vertraut ist, der
    schon vor die ganze Klasse treten mußte, um ausgeschimpft zu werden.
    Schließlich rang sich Truhe zu etwas durch, das einer Entscheidung so
    nahe kam, wie es für Birnbaumholz möglich ist.
    Sie war verschenkt worden. Sie hatte viele Jahre damit verbracht, durch
    fremde Länder zu wandern und exotischen Geschöpfen zu begegnen,
    wenn auch oft nur zu dem Zweck, auf ihnen herumzuspringen. Jetzt
    befand sie sich wieder in dem Land, in dem sie einst ein Baum gewesen
    war. Deshalb genoß sie die Freiheit.
    Es war kein absolut logischer Gedankengang, aber derartige Überle-
    gungen sind doch eine erstaunliche Leistung, wenn man nur mit Astlö-
    chern denken kann.
    Es gab etwas, das sich Truhe sehr wünschte.

    » Wann bist du endlich fertig, Lehrer?«
    »Entschuldige bitte, Dschingis. Es dauert nicht mehr lange…«
    Cohen seufzte. Die Hordenmitglieder hatten im Schatten Platz ge-
    nommen und erzählten sich Lügen über ihre theoretischen Heldentaten.
    Unterdessen stand Herr Zervelatwurst auf einem Felsblock, spähte
    durch einen sonderbaren Apparat und kritzelte auf seine Karten.
    Zettel regieren jetzt die Welt, dachte Cohen. Zumindest diesen Teil.
    Und Lehrer… nun, Lehrer regierte über Zettel. Er mochte kein traditio-
    neller barbarischer Held sein – obgleich er die Ansicht vertrat, daß es alle Rektoren verdienten, an die nächste Kuhstal tür genagelt zu

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