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Echte Morde

Echte Morde

Titel: Echte Morde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlaine Harris
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ein Kind umbringen, sie wollten Phillip ermorden. Das Monster saß nicht sicher verwahrt in einer Gefängniszelle von Lawrenceton. Das Monster war noch immer mitten unter uns, das Monster wohnte in diesem Haus. Nicht das Monster: die Monster.
    Hindley und Brady hatten die Kinder immer erst ein paar Stunden lang gepeinigt, vielleicht war Phillip also noch am Leben. Wenn er im Wagen gesessen hatte, wenn sie ihn in Melanies Wohnung verschleppt hatten, wo immer die sein mochte - richtig, in der Straße, in der auch Jane Engle lebte! -, dann hatte er vielleicht irgendeine Spur hinterlassen.
    Ich hastete die Treppe hinauf- den Versuch, leise zu sein, hatte ich aufgegeben. Oben war niemand. Im größeren Schlafzimmer stand ein breites Doppelbett, daneben lag eine Rolle Tau.
    Auf der Ankleidekommode lag eine Kamera. Hindley und Brady, zwei Büroangestellte, die sich bei der Arbeit kennengelernt hatten, hatten die Leiden ihrer Opfer auf Tonband festgehalten und fotografiert.
    Das Gästezimmer war als Fitnessraum eingerichtet - daher also Bankstons neuerdings schwellende Muskeln. Außerdem stand da ein verschließbares Aktenschränkchen. Der Schlüssel steckte. Ich wollte alles sehen, was dieser Mann normalerweise verschloss und stieß das Schränkchen um: Magazine ergossen sich über den Boden wie eine ekelhafte Schleimspur. Eins klappte auf - mich packte der nackte Horror. Ich hatte nicht gewusst, dass man Bilder von Frauen kaufen konnte, die so misshandelt wurden. Wenn es um die Anti-Porno-Kampagne ging, hatte ich immer an Frauen gedacht, die zumindest nach außen hin willens waren, bestimmte Aufnahmen von sich machen zu lassen. Die dafür bezahlt wurden und noch lebten, wenn die Fotosession vorbei war.
    Ich hastete wieder nach unten, warf einen Blick ins vordere Wohnzimmer, riss alle Schränke auf. Nichts. Als nächstes war die Kellertür dran. Im Keller brannte kein Licht, also lag die untere Hälfte der Treppe im Dunkeln, aber da unten, auf einer der untersten Stufen, lag etwas Weißes, war in dem Licht, das aus der Küche ins Treppenhaus fiel, gerade noch so zu erkennen.
    Ich stieg die Treppe hinab und hockte mich hin: Es war eine Baseballkarte.
    In diesem Augenblick hörte ich einen unterdrückten Laut.
    „Phillip!", dachte ich, aber dann spürte ich auch schon einen schneidenden Schmerz in Schultern und Nacken und stürzte kopfüber nach vorn. Arme und Beine verhedderten sich in völligem Chaos, ich rutschte mit dem Gesicht voran über die Kanten der Treppenstufen und landete auf dem Kellerboden. Als ich aufsah, schwebte Bankstons Gesicht im Dämmerlicht über mir, grinsend wie ein mittelalterlicher Wasserspeier, vom gewohnten Phlegma war keine Spur mehr zu sehen — und Bankston hielt einen Golfschläger in der Hand.
    Unten an der Treppe befand sich ein zweiter Lichtschalter, den Bankston betätigte. Ich hörte wieder diesen unterdrückten Laut, den ich auch vorher schon gehört hatte und wandte unter großen Schmerzen den Kopf: Auf einem Stuhl neben dem Trockner saß Phillip, gefesselt und geknebelt, das Gesicht ganz nass von Tränen, den kleinen Körper zu einem festen Ball zusammengerollt, so gut das auf dem Stuhl eben möglich war. Seine Füße reichten nicht bis auf den Boden.
    Mir brach das Herz.
    Mein Leben lang hatte ich Leute ähnliches sagen hören: Ihr Herz brach, als ihre große Liebe sie verließ; ihnen brach das Herz, als ihre Katze starb; ihm brach das Herz, weil er die Vase seiner Großmutter fallen ließ.
    Ich würde sterben, und ich war Schuld daran, dass mein kleiner Bruder sein Leben verlor, und mein Herz brach, weil ich wusste, welche Leiden die Monster ihm zugedacht hatten, ehe sie ihn endlich umbrachten, weil sie genug von ihm hatten.
    „Wir haben dich kommen hören", sagte Bankston grinsend.
    „Wir haben hier unten gesessen und auf dich gewartet, nicht wahr, Phillip?"
    Unfassbar. Bankston, der Bankbeamte. Bankston, bei dem Waschmaschine und Trockner farblich aufeinander abgestimmt waren, „Mandel" nannte sich dieser Farbton. Bankston, der am Nachmittag mit einem Geschäftsmann dessen Kreditrahmen erörterte und am Abend loszog, um Mamie Wrights Gesicht in blutigen Brei zu verwandeln. Melanie, die Sekretärin, deren Chef nicht in der Stadt weilte und die ihre freie Zeit nutzte, um die Buckleys mit einem Beil zu erschlagen. Das perfekte Paar.
    Phillip jammerte, verzweifelt, ohne Hoffnung. „Sei still!", befahl der Mann, der am Nachmittag mit ihm Ball gespielt hatte. „Wenn du weinst,

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