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Echten Maennern gibt man ein Kuesschen - Roman

Echten Maennern gibt man ein Kuesschen - Roman

Titel: Echten Maennern gibt man ein Kuesschen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Harvey
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Weihnachtslieder gesungen wurden, und dazu Geschenke, Truthahn, eine Mitternachtsmesse - kein einziges Ritual hatte gefehlt, es war einfach großartig gewesen. Das hatte sie zumindest gedacht.
    Jetzt wusste sie, dass alles nur eine Lüge gewesen war. Dass Simons Gedanken, als sie den gleichen Weg, den sie jetzt ging, am ersten Weihnachtstag Hand in Hand gegangen waren, um ein schweres Mittagessen zu verdauen, nicht bei ihr gewesen waren. Während sie ihn sich, angeregt von der idyllischen Landschaft, in einem Anfall von Romantik als Mr. Darcy in Stiefeln und Reithosen vorgestellt hatte, hatte er sie keineswegs als Elizabeth Bennet gesehen … Wahrscheinlich hatte er sich eher seinen eigenen Darcy herbeigesehnt und die Möglichkeit, dem Vorurteil zu entkommen und sein eigenes Leben so zu leben, wie er es wirklich wollte.
    Sie fühlte sich beinahe ausgenutzt. Ausgenutzt durch sein eigenes Streben nach dem, was Engstirnige als Normalität bezeichnen.
    Sie verbannte diesen Gedanken in ihren Hinterkopf. Aus irgendeinem seltsamen Grund ertrug sie es im Moment nicht, noch länger wütend auf ihn zu sein. Außerdem wusste sie - ihre rationale Seite, die sich jetzt an die Oberfläche kämpfte -, dass er ein viel zu guter Mensch war, um ihr das bewusst angetan zu haben. Aber sie waren so lange zusammen gewesen. Wie
konnte es ihr entgangen sein, wie konnte sie keine Ahnung gehabt haben, nicht den leisesten Schimmer?
    Vielleicht war sie durch ihr eigenes Streben nach dem perfekten Leben zu blind für alles andere gewesen, zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um die Kapriolen einer Beziehung zu hinterfragen, die für die Außenwelt so bilderbuchmäßig ausgesehen hatte.
    Ein schönes Zuhause, regelmäßige Urlaube, zwei Autos, gute Jobs.
    Gute Jobs.
    Auf einmal fiel ihr ein, dass sie heute Morgen in der Arbeit erwartet wurde. Komisch, dass sie nicht schon früher daran gedacht hatte. Während des ganzen Wochenendes hatte sie nicht ein einziges Mal an ihre Arbeit gedacht.
    Remy war Projektmanagerin bei einer großen Kreditkartengesellschaft. Sie machte ihre Arbeit gut, ja, sie war stolz darauf, das, was sie anpackte, immer gut zu machen, aber wenn sie ehrlich darüber nachdachte - machte sie ihre Arbeit eigentlich wirklich gern?
    Eins wusste sie jedenfalls: Sie konnte ihren Kollegen im Moment unmöglich gegenübertreten. Sie konnte nicht einfach da reinspazieren und so tun, als wäre alles Friede, Freude, Eierkuchen. Ihr Arbeitsplatz war nun mal kein großer netter Schmelztiegel, in dem sich Arbeit und Privatleben munter miteinander vermischten. Man ließ seine persönlichen Probleme an der Eingangstür zurück, man teilte sie nicht im Aufenthaltsraum bei einer Tasse Tee und Schokoladenkeksen mit den Kollegen.
    Sie würde sich eine Weile freinehmen müssen.
    Darüber würden sie nicht gerade erfreut sein. Der Urlaub der Mitarbeiter wurde normalerweise in einem komplizierten Jahresplan grafisch erfasst, und man reichte ihn Monate im Voraus ein, aber es ließ sich nicht ändern. Sie würde anrufen
und eine Erklärung liefern müssen, aber was sollte sie sagen? Wie sollte sie ihnen erklären, was tatsächlich geschehen war? War sie zu alt, um ihre Mutter zu bitten, sie telefonisch krankzumelden?
    Sie musste mindestens drei Kilometer tief in Gedanken versunken marschiert sein, bevor sie schließlich stehen blieb und sich vergegenwärtigte, wo sie war.
    Sie hatte den Weg genommen, der über den Rasen und durch die Lavendellaube auf die Tannenlichtung führte, die sich am Rand des Weidelands erstreckte. Dieses Plätzchen hatte sie geliebt, als sie jünger gewesen war, es hatte für sie immer etwas Magisches gehabt, als ob hier alles geschehen könnte, als ob es hier die Möglichkeit gäbe, plötzlich durch irgendwelche Türen in andere Länder und andere Welten vorzustoßen. Sie wünschte, sie könnte jetzt eine dieser Türen finden, eine, die sie in ein anderes Universum führte, wo alles herrlich war und sie wieder glücklich wäre.
    Doch im Augenblick fühlte sie sich, als ob alles, was sich vor ihr erstreckte, aus dieser leeren Traurigkeit bestünde, dieser schmerzenden tristen Qual, von der sie nicht wusste, wie sie sie lindern sollte, außer vielleicht durch Tränen.
    Aber eins stand fest: Sie hatte während der vergangenen paar Tage genügend Tränen für ihr ganzes Leben vergossen.
    »Keine weiteren Tränen«, sagte sie laut zu sich selbst und lachte hohl und leer auf, weil sie wusste, dass sie sich sowieso nicht daran halten

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