Echtzeit
letzte gemeinsame Nacht in den Sinn:
»Aber das ist doch kein Problem. Entweder besorgen wir dir ein Ticket oder ich fliege …«
»Nein, Tom!« Abrupt setzte sie sich auf und zog sich ihren Slip wieder an. Sie spürte, wie Tom sich aufsetzte und sie anstarrte. Sanft legte er ihr seine Hand auf die nackte Schulter. Unter seiner Berührung erzitterte sie. Die Anspannung zwischen ihnen war allgegenwärtig. Langsam wiegte sie ihren Kopf hin und her. »Ich stehe mit ein paar Musikern in Kontakt.« Hastig griff sie nach ihrer Strumpfhose und zog sie über ihre Füße, während sie nach den richtigen Worten suchte.
Ein Hupen holte sie aus ihren Gedanken heraus.
»Verdammt!«, keuchte sie und versuchte, sich wieder ganz auf den Verkehr zu konzentrieren. Doch das Gefühl, welches sich seit ihrem Abschied in ihr festgesetzt hatte, machte es schwer. Ja, der stechende Schmerz war geblieben, wenn er auch mit der Zeit immer dumpfer geworden war.
Sie strich sich eine ihrer pinken Haarsträhnen hinters Ohr und erspähte wie zufällig hinter den hohen Bäumen das alte Fabrikgebäude.
»Das Ziel befindet sich auf der rechten Seite«, verkündete die befremdliche Frauenstimme.
Nina seufzte. »Na, endlich!«
Pünktlich auf die Minute drückte Nina mühsam die schwere Stahltür auf und betrat den minimalistisch eingerichteten Vorraum der Werbeagentur. Ein großer Hüne lehnte lächelnd am Empfangstresen und sie bemerkte sofort, wie seine Blicke an ihrem Körper hinunter glitten. Männer! Waren doch alle gleich! Erst mal mussten sie abchecken, wer oder was da zur Tür rein kam. Aber sie konnte es sich auch nicht verkneifen, den Kerl im 'Elvis Presley' Shirt genauer zu mustern. Seine Augen hatten etwas Warmherziges und zugleich hatte er den Schalk im Nacken sitzen, das verriet ihr sein schelmisches Grinsen.
»Nina Becker?« Mit ausgestreckter Hand kam er einen Schritt auf sie zu.
Sie nickte. »Sie sind Herr Weber, richtig?«
»Jo reicht vollkommen. Also wenn es Sie … oder dich nicht stört.« Er legte seinen Kopf schief und strahlte sie an. Dieses freche Lächeln besagte, dass es noch sehr interessant werden könnte mit Jo Weber. Einem Flirt schien er zumindest nicht abgeneigt und das war genau das Richtige für sie, um sich von allem Anderen wenigstens ein bisschen abzulenken. Tom war ihre Droge und vor ihr stand das Mittel, um ihrer Sucht Herr zu werden.
Mit einem Funkeln im Auge griff sie zu. »Gerne. Nenn mich Nina.«
Er legte ihr eine Hand auf die Schulter und schob sie äußerst sorgsam in einen kleinen Konferenzraum. Himmel, war das angenehm! Eine ganz sanfte Berührung, eine einfache, nette Geste, die nicht viel bedeutete. Es war kein mitleidiges Tätscheln, kein aufmunternder Schulterklopfer – davon hatte sie in den letzten Tagen bei weitem genug bekommen. Das hier war einfach nur nett und wie Wundsalbe für ihre geschundenen Nerven. Und damit nicht genug. Er zeigte sich als echter Gentleman, zog ihr einen Stuhl zurück und wartete brav, bis sie sich gesetzt hatte.
»Danke.« Sie lächelte ihm über ihre Schulter zu und er zwinkerte frech.
»Kaffee? Oder lieber Tee? Wir haben extra englischen Tee besorgt.« Er zupfte an den Teebeuteln, die hübsch drapiert in einem Schälchen auf dem Tisch standen.
»Kaffee bitte. Tee trinke ich nur, wenn ich krank bin.«
Lachend schenkte er zwei Tassen Kaffee ein. »Oh ja. Ich kann Tee auch nicht ausstehen. Wir dachten nur, da Sie … du …«, grinsend sah er sie kurz an, »so lange in England gewesen bist, würde dir Tee ganz gut schmecken.«
»Nee, ich bin ganz froh, anständigen Kaffee zu bekommen. Aber trotzdem sehr aufmerksam. Danke.« Sie schüttete sich Milch in die Tasse. »Und danke, dass ihr das so kurzfristig übernommen habt, das ist nicht selbstverständlich.«
Jo grinste breit. »Eigentlich hast du das meinem Kollegen zu verdanken. Nachdem er das Rohmaterial gesehen hatte, war er nicht mehr zu bremsen.«
»Oh!« Sie hob verwundert die Augenbraue. So umwerfend waren die Bandfotos fürs Booklet nun auch nicht. »Dann sollte ich mich wohl bei deinem Kollegen dafür bedanken.«
»Jap! Er hatte noch einen Außentermin und wollte schon längst wieder hier sein. Pünktlichkeit ist nicht seine Stärke.« Jo schlürfte seinen Kaffee und zuckte mit den Schultern.
Warum zur Hölle hatte sie sich dann so abgehetzt? Aber was soll's. Wenn die Beiden gute Arbeit ablieferten, dann war sie ihnen mehr als dankbar. Außerdem war sie es schließlich, die den Termin
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