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Echtzeit

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Titel: Echtzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Reitz
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ihre Schläfe. »Wann kommst du zurück?« Er traute sich kaum, diese Frage zu stellen.
    »Ich habe kein Rückflugticket, Tom.«

 
    Kapitel 8
    8. April 2004, Berlin
     
    »In 500 Metern links abbiegen«, befahl die monotone Stimme aus dem dicken schwarzen Navigationsgerät.
    Nina verdrehte die Augen. Trotz dieser tollen technischen Errungenschaft, fuhr sie schon seit zehn Minuten im Kreis und das in ihrer Heimatstadt. Aber in Moabit kannte sie sich nicht aus und zusätzlich kämpfte sie noch immer mit der Umstellung zurück auf den Rechtsverkehr. Die letzten zwei Jahre in England machten es ihr schwer, sich wieder an die deutschen Verkehrsregeln und die vergleichsweise aggressive Fahrweise der Deutschen zu gewöhnen. Sie war dankbar, dass sie den alten Mercedes ihres Paps fahren konnte, dennoch würde sie lieber die öffentlichen Verkehrsmittel nutzen. Allerdings war es im Moment schlichtweg zu stressig, als dass sie sich mit der Unzuverlässigkeit der Berliner Verkehrsbetriebe herumschlagen konnte.
    »In 300 Metern links abbiegen.« Die pseudofreundliche Frau in dem elektrischen Wegweiser schien eine endlose Gelassenheit zu haben. Doch Nina hatte keine Geduld mehr. Wenn sie nicht bald dieses blöde Bürogebäude der Grafikagentur finden sollte, würde sie zu spät zu ihrem Termin erscheinen. Und das, wo sie den schon dreimal verlegt hatte. Zwar zeigte Herr Weber sich immer wieder sehr verständnisvoll, doch sie wollte sein Wohlwollen nicht überstrapazieren. Überhaupt war es ein Wunder, dass er sich so kurzfristig der grafischen Gestaltung des ersten Albums ihrer Band annahm. Sie hatte bereits mehrere Angebote von Agenturen in London eingeholt, aber keines war ihr gut genug gewesen. Nach langem Hin und Her hatte sie sich vor ein paar Wochen dafür entschieden, nach Hause zu fliegen und sich unter den hiesigen Grafikern umzusehen. Und wie es schien, war es die richtige Entscheidung gewesen: Ihrem Vater ging es nicht gut, überhaupt nicht gut. Das ganze letzte Jahr über hatte sich sein Gesundheitszustand rapide verschlechtert. Ihrem geliebten Paps ging es so schlecht, dass die Ärzte nicht sagen konnten, ob er überhaupt wieder auf die Beine kam.
    »Jetzt links abbiegen.«
    Tapfer wischte sie sich eine Träne aus dem Auge. An das Horrorszenario, das ihr drohte, wollte sie nicht denken. Noch hatte niemand aufgegeben, also würde sie es auch nicht tun. Aber ihre Nerven lagen blank.
    Lolli und die anderen Jungs waren in London geblieben und hatten versprochen, sich vor Ort um alles Notwendige zu kümmern. Mit einem eher unguten Gefühl hatte sie ihre Reise angetreten. Nicht umsonst hatten sie bei der Gründung der Band entschieden, dass sie das Management übernehmen würde. Und leider hatte sie recht behalten: Die Drei hatten so ziemlich alles ins Chaos gestürzt, was möglich war. Um den Release des Albums und die Tour nicht zu gefährden, war sie nun mehr als bemüht, von hier aus alles, was möglich war zu regeln. Die Sorge um ihren Paps und der Stress brachten sie eindeutig an ihre Grenzen, aber Heavy Light Weight war ihr Baby und das würde sie so kurz vorm Ziel nicht aufs Spiel setzen. .
    »Links abbiegen! Jetzt links abbiegen!«, drängelte das Navigationsgerät.
    »Herrgott, ja!«, maulte Nina zurück und schlug den Lenker ein. Plötzlich quietschten Reifen und ein wütendes Hupen ließ sie erschrocken zusammenzucken. Reflexartig trat sie auf die Bremse und kam mit einem kräftigen Ruck zum Stehen. Sie hatte dem von rechts kommenden Fahrzeug die Vorfahrt genommen. Wild gestikulierte die Person in dem blauen Golf vor ihr.
    »Tom!«, flüsterte Nina. Gleich darauf erkannte sie jedoch, dass es sich nur um eine ältere Frau mit langen, dunklen Haaren handelte, die bei weitem keinerlei Ähnlichkeit mit dem Mann besaß, der noch immer einen festen Platz in ihrem Herzen hatte. Schulterzuckend entschuldigte sie sich und erntete eine letzte unflätige Geste.
    Mit aufheulendem Motor setzte die Frau schließlich die Fahrt energisch fort. Nina kuppelte den ersten Gang ein und machte sich daran, die Kreuzung zu räumen, bevor noch weitere Verkehrsteilnehmer sie als Behinderung ansahen und wüst beschimpften.
    Es war nicht das erste Mal, dass sie glaubte, Tom gesehen zu haben. Seit sie in Tegel aus dem Flieger gestiegen war, ging das ständig so. Ihre innere Stimme verleitete sie immer aufs Neue dazu, unbewusst Ausschau nach ihm zu halten und der Wunsch ihn zu sehen wuchs mit jedem Tag.
    Zum wiederholten Male kam ihr die

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