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Echtzeit

Titel: Echtzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Barylli
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böse. Du bist eben wirklich sehr hübsch. Es gibt Menschen, die sagen sogar, du wärst schön! Und ich muss sagen, sie haben recht. Dein langes, glattes, braunes Haar und deine haselnussbraunen Augen und diese Marzipanhaut. In der Summe gesehen ist das unfair. Kleiner Scherz …
    Ich habe vor einem Monat versucht, meine Sommersprossen wegzubekommen. Mit einer Fruchtsäurelösung. Und anschließend mit Hautbleicher. Hat aber nicht wirklich geklappt. Ich war nur drei Wochen lang rot wie ein Hummer aus Maine. Habe dann allen Leuten vorgelogen, ich sei in der Höhensonnenbank eingeschlafen. Einige haben es sogar geglaubt.
    Danach habe ich mich angesehen und festgestellt, dass Sommersprossen doch recht gut zu meinem Haar passen. Ich habe versucht es zu glätten, um die Locken rauszubekommen. Aber danach sind sie wie Drähte von meinem Kopf weg gestanden. Und nach zwei Tagen war alles beim Alten. Also habe ich mich angeschaut und mir gratuliert. Ja! Das hilft. Glaub mir. Den Trick habe ich von meinem Therapeuten bekommen. »Wenn Sie etwas an sich haben, das Sie stört, gratulieren Sie sich dazu« – hat er gesagt. »Es macht Sie unverwechselbar und einzigartig« – hat er gesagt. Wirklich! Kein Scherz.
    Also habe ich an seine Worte gedacht, mich vor den Spiegel gestellt und gesagt: »Susanna, ich gratuliere dir zu deinen wunderschönen, afrikanischen Locken mit ihrem satten Tiziankupferschimmer und deinen lustigen, unverwechselbaren Sommersprossen! Du bist wirklich eine einzigartige Frau!«
    Und da stehe ich also in meinem Badezimmer und sage das eine Weile immer wieder vor mich hin … und ob du es glaubst oder nicht, nach einer Weile fand ich die Frau da in meinem Badezimmer ganz okay! Wirklich! Ich war erschüttert! Ich musste mich auf den Rand meiner Sitzbadewanne setzen. So schwindelig wurde mir plötzlich. Warum hat das so lange gedauert, habe ich mich gefragt. Warum konnte ich nicht schon Jahrhunderte früher zu meinen Sommersprossen »Ja« sagen? Ich muss dir sagen, es war wie ein kleines Wunder. Ich bin daraufhin in die Küche gegangen und habe mir einen kleinen »Carlos Primero« gegönnt. Weißt du noch?! Unser erster »Carlos Primero« – damals – auf Ibiza? Die Nacht vergesse ich nie … Egal. Ich habe mir einen »Carlos« eingeschenkt und auf meinen Geburtstag angestoßen.
    Ich habe nämlich beschlossen, dass dieser Tag vor dem Spiegel mein neuer Geburtstag sein sollte. Und soll ich dir was sagen?! Es war Mittwoch, der dritte. Echt. Kein Scherz. Also habe ich an einem Tag der Kommunikation die Liebe erfahren. Die Liebe zu mir selbst. Fürs erste Mal. Der Rest wird sich zeigen.
    Aber: Wie heißt es so schön?! »Selbstliebe vor Nächstenliebe!« Denn wie soll mich der Nächste lieben, wenn ich mit mir selbst im Krieg stehe?! Und meinen zauberhaften, unverwechselbaren Sommersprossen? Zu meiner barocken Lockenfülle? Kannst du mir das sagen? Kannst du nicht! Eben! Salute, Isabell! Selbst hoch leben! Ich habe mir, dir zu Ehren, eben einen kleinen »Carlos Primero« geholt. Aus der Küche. In der kurzen Pause vorhin. Ich habe ihn natürlich in ein sehr stark erhitztes Glas geleert. So wie es sich gehört. Und die zweite Ration habe ich in meinen Kaffee gekippt. Mit Zucker und keiner Milch. Das liebe ich. Du auch. Ich weiß …
    Sag mal, bringt dir Stefan am Sonntagmorgen den Kaffee mit keiner Milch und »Carlos«? Oder ohne »Carlos«? Musst du ihn dir heimlich hineingießen? Du? Sag! Musst du?! Du solltest ihm all deine Wahrheiten zeigen, Isabell. Alle! Und eine davon ist, dass du eine süße, kleine Alkoholikerin bist … Kleiner Scherz!
    Nein, wirklich! Sag es ihm. Es bringt nichts, wenn man seine süßen, kleinen Angewohnheiten vor dem Liebsten verbergen muss. Nur damit er nicht glaubt, dass du eine Alkoholikerin bist. Stell dich vor den Spiegel! Schau dir in die Augen! Und sag mit fester, ruhiger Stimme: »Ich gratuliere mir dazu, dass ich täglich meinen Carlos Primero in einem vorgewärmten Glas genießen möchte!«
    Du wirst sehen, wenn du das eine Viertelstunde lang wiederholst, stellt sich eine wunderbare Gelassenheit ein. Wie von selbst.
    Und als nächsten Schritt kannst du Stefan auch einen anbieten. Er wird es lieben. Die süßliche Brandyfarbe, die dich umgibt. Wenn du ein wenig getrunken hast. Aber gut. Du wirst schon wissen, wie du mit deinen kleinen Geheimnissen umgehen willst. Hat nicht jede richtige Frau ein Geheimnis? Was für eine Frage! Und anders gefragt – gibt es eine

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