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Echtzeit

Titel: Echtzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Barylli
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wie Tiere, die zu lange ohne Kontakt zu ihresgleichen in einem engen Käfig vegetieren, die werden auch abartig. Ja, ist doch nur verständlich. Ja, und dann sitzt man da und der Körper schreit nach Berührung.
    Irgendwann … irgendwie … nach einem Jahr oder zwei … das ist doch nur verständlich. Aber ich will eben nicht auf Brücken stehen … im Vollmond, im August. Aber die Liebe ist auch nicht zu finden – nirgendwo. Nicht einmal eine Verliebtheit … nichts …, aber die Haut schreit nach einer Berührung.
    Da bin ich dann eben in die Wellblechbaracke gegangen, zu meinen Bekannten. Einmal in der Woche, immer am Freitag, wenn sie ihr Geld bekommen haben. Nicht weil ich eine Hure bin, sondern aus Selbstschutz. Ich wollte nicht, dass sie glauben, dass ich auf der Suche nach einem Mann bin. Nein, ich wollte, dass sie mich einfach nur benützen und dafür zahlen, damit sie mich als Hure sehen können und nicht glauben, sie müssen auf verliebt spielen.
    Irgendwie … und ich bin … berührt worden und dass es mehrere waren, hat es leichter gemacht. Eine Zeitlang. Dann habe ich plötzlich die Lust verloren. Ich weiß nicht, warum. Nach einem Jahr wollten sie dann plötzlich alle gemeinsam mit mir feiern. Sie sind einfach grob geworden. Ein Jahr lang waren sie noch fast scheu, na ja, Ausländer eben … und die stolze fremde Frau, auch wenn sie eine Hure ist. Da war es so, dass sie nacheinander dran gekommen sind, ganz ordentlich. Dann haben sie wahrscheinlich zu viel Pornos gesehen und wollten so was nachspielen. Du weißt schon … eine gefesselte Frau und sieben Männer. Da bin ich dann ausgestiegen und war wieder allein.
    Mehr als zuvor … und habe gechattet und jetzt … jetzt frage ich mich, was ich falsch gemacht habe in meinem Leben. Ich frage mich, wo das stille, kleine Mädchen geblieben ist, das so gerne aus dem Fenster geschaut hat und »Penny Lane« gehört hat und geträumt. Wo ist sie hin? Wo ist sie? Ich hab sie irgendwo verloren, auf dem Weg … irgendwo … Sie ist verloren gegangen, ich weiß nicht, was ich aus all dem lernen soll. Weißt du es, Isabell? Kannst du mir helfen? Du?
    Nein, kannst du nicht. Ich weiß, kein Interesse. Verstehe ich, niemand geht freiwillig auf ein sinkendes Schiff. Verstehe ich. Und jetzt ist es so weit, ich kann nicht mehr. So einfach ist es, ich habe keine Kraft mehr, »optimistisch zu sein« … hm. Kleiner Scherz.
    Ja, das war’s dann wohl. Es gibt nichts mehr zu sagen. Ich wollte mich eigentlich nur von dir verabschieden, Isabell.
    Es war wirklich schön, deine Bekanntschaft gemacht zu haben. Ja, wirklich … und jetzt werde ich gehen. Es ist alles gesagt. Die Nacht ist sehr still. Da wird es keinen großen Verkehrsstau geben, wenn ich auf der Straße angekommen sein werde … wie lange der Flug wohl dauert … von meinem Fenster bis hinunter …

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