Ed King
sie, »mir ist nicht gut. Ich fühle mich elend.«
»Das wird schon wieder«, sagte Ed. »Hast du eine Tablette genommen?«
Er ergriff die Chance und nahm ihr die Fernbedienung aus der Hand. »Mal sehen, was wir hier haben«, sagte er und gab ein Suchwort ein. »Findlingshospital in New York City, das Barockorchester Foundling in Providence, ein Kinderbuch, eine Literaturzeitschrift.« Er gab ihr die Fernbedienung zurück. »Ich bin ein Findelkind«, sagte er und justierte seinen Sessel. »Meine Hüfte schmerzt«, fügte er hinzu. »Vielleicht vererbt.« Noch einmal nahm er die Fernbedienung und gab »erst nach Jahren aufgeklärte Findlingsfälle« ein. Auf dem Bildschirm erschienen die Suchergebnisse. »Sieh nur«, sagte Ed. »Da gab’s einen in Saskatoon, den haben sie erst nach sechzig Jahren aufgeklärt. Und hier lag einer siebenundvierzig Jahre zurück. Und der hier zweiunddreißig.« Ed gab einen neuen Suchbegriff ein: »Suche nach leiblichen Eltern«. »Na also«, sagte er. »Adoption Registry Connect – Suche nach leiblichen Eltern, Geschwistern und Angehörigen. Das könnte etwas für mich sein. Oder vielleicht ein professioneller Suchdienst. Ancestry.com. Obwohl ich nicht glaube, dass Ahnenforschung mich weiterbringt. Das hier klingt interessant – Bastard Nation.« Ed klickte die Seite an. »Nein, Bastard Nation ist auch nicht das Richtige.« Er gab »DNA-Analyse« als Suchbegriff ein und fragte: »Wie viel Wein hast du getrunken?«
Keine Antwort.
»Hast du geweint?«
Wieder keine Antwort.
»Keine Antwort«, sagte Ed. »Hör dir das an. DNA Reunion. Die haben eine offizielle Zulassung. Und zwar von allen möglichen Stellen. Was machen die?« Aber die Frage richtete er an sich selbst. »Also, wer auch immer mich damals ausgesetzt hat, lässt ein DNA-Profil von sich erstellen. Ich lasse ein Profil von mir erstellen. Und dann werden beide Profile auf ihrer Datenbank miteinander abgeglichen. Du lieber Himmel«, fügte er hinzu, »fünf bis sieben Werktage. So lange kann ich nicht warten. Das ist lächerlich. «
Er rief beim Leiter des Pythia-Genomprojekts an. »Schicken Sie DNA Reunion mein DNA-Profil«, sagte er. »Aber anonym. Zahlen Sie, was immer sie verlangen. Es soll sich für sie lohnen, einen Zahn zuzulegen. Lassen Sie sich alles schicken, was meinem Profil nahe kommt.«
Nachdem das erledigt war, seufzte er, ließ seine Sessellehne nach hinten kippen und fragte Diane: »Alles okay mit dir?«
»Ich muss ins Bett«, erwiderte Diane. »Ich fühle mich nicht wohl.«
»Du fühlst dich nicht wohl.«
»Tut mir leid.«
»Du hast getrunken und geweint«, sagte Ed. »Komm schon, Diane.«
»Tut mir wirklich sehr leid.«
Das klang anders. Es tat ihr nicht leid, dass sie sich unwohl fühlte, sondern er tat ihr leid, weil er ein Findelkind war. »Das braucht dir nicht leidzutun«, sagte er. »Ich selbst tue mir auch nicht leid.«
Diane stand auf. Er kannte diesen Gesichtsausdruck. Wenn sie etwas sehr quälte, erschien an ihrer Nasenwurzel eine Furche, um die sich bislang noch kein Schönheitschirurg gekümmert hatte. Mit Tränen in den Augen sagte sie: »Es tut mir alles so unendlich leid, obwohl das nun auch nichts mehr ändert.«
Er stand mit ihr auf und nahm ihren Arm, aber sie riss sich wie in Panik von ihm los. Ihr rotes Haar flog zur Seite. Wein spritzte aus dem Glas. »Nein«, rief Diane. »Gute Nacht, gute Nacht. Ich muss ins Bett. Gute Nacht!«
Sie rannte aus dem Zimmer, aber er ging ihr nicht hinterher, weilseine Suche jetzt wichtiger war. Anstatt Diane ins Schlafzimmer zu folgen, ging Ed in sein Arbeitszimmer zu Cybil und wartete auf eine Nachricht seines Genom-Spezialisten, ob per SMS, Anruf oder E-Mail. Um Diane konnte er sich später kümmern. Immer eins nach dem anderen. Aber ihre Tränen, der Schmerz, ihr panisches und überstürztes Verschwinden – was sollte das alles? War es wegen ihres Vaters? Weil sie selbst ein uneheliches Kind war? Aber wieso nicht darüber reden? Schämte sie sich letztlich nicht für ihn, sondern für sich selbst? »Man muss offen sein«, dachte Ed. »Ist das so schwer?«
Sein Herz klopfte, während er neben Cybil Wache hielt. So nahe an der Wahrheit und dennoch so weit davon entfernt! »Cybil«, sagte er schließlich, »ich habe einen Auftrag für dich. Rufe mein Genomprofil auf, verschaffe dir irgendwie Zugang zu DNA Reunion und finde heraus, ob ihre Datenbank ein übereinstimmendes Profil enthält.«
»Was Sie da von mir verlangen, ist illegal
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