Edelherb: Roman (German Edition)
deutet.« Fats sah mich genauer an. »Wow, was ist denn mit deiner Stirn passiert?«
»Bin sozusagen zwischen eine Sünderin und ihre Bibel geraten«, erklärte ich. »Ich werde Mickey jetzt zur Rede stellen, und ich möchte dich dabeihaben.«
Fats nickte. »Ich hole nur kurz meine Waffe.«
Als wir Mickeys Brownstone-Haus erreichten, öffnete uns ein Dienstbote die Tür. »Mr. und Mrs. Balanchine sind gerade aufgebrochen. Sie sagten, sie wollten Verwandte von Mrs. Balanchine besuchen.«
Ich schlug Fats vor, zum Flughafen zu fahren, doch er schüttelte den Kopf. »Wir wissen ja nicht mal, zu welchem. Vielleicht ist es das Beste, was passieren konnte, wenn die beiden die Stadt verlassen. Denk doch mal nach, Anya – wenn sie geblieben wären, befänden wir uns jetzt mitten in einem zerstörerischen Krieg. Jetzt, da die zwei aus dem Rennen sind, kann man wieder zur Tagesordnung übergehen, und das ist gut.«
»Aber ich will mir doch sicher sein, ob wirklich Mickey meinen Bruder umgebracht hat!«
»Das verstehe ich, Annie. Aber was ändert es schon, wenn du es weißt? Sophia hat gesagt, er war es. Und Mickey ist weg. Du hast sie aus der Stadt getrieben, damit musst du dich jetzt trösten, denn mehr als diese Wahrheit wirst du im Moment nicht herausfinden können.«
Das erschien mir unglaublich naiv. Nur weil Sophia und Mickey die Stadt verlassen hatten, bedeutete das doch nicht, dass sie für immer fortbleiben würden.
»Wir müssen zu Simon Green«, forderte ich.
»Zu dem Anwalt? Warum?«, wollte Fats wissen.
Ich erklärte, Sophia hätte mir gesagt, er sei an der Kontaminierung der Schokolade beteiligt gewesen. »Fats, hast du jemals gerüchteweise gehört, dass Simon Green irgendwie mit uns verwandt sein könnte?«
Fats legte den Kopf schräg und verzog die Lippen zu einem skeptischen Kräuseln. »Annie, es gibt immer Gerüchte über uns. Mit den meisten brauchst du dich gar nicht abzugeben.«
Doch ich ließ mich nicht abwimmeln.
In dem Haus, wo Simon wohnte, gingen wir die fünf Treppen hinauf. Mein Kopf begann zu dröhnen, und ich wünschte mir, ich hätte vorausschauend jemanden im Krankenhaus um ein Aspirin gebeten, bevor ich flüchtete.
Wir stellten fest, dass die Tür offen war; Mr. Kipling stand mitten im Raum. Er konnte noch nicht lange dort sein, da er vom Treppensteigen noch außer Atem war. »Er ist weg«, sagte er. »Simon Green ist weg.«
»Woher wissen Sie das?«, fragte ich.
Mr. Kipling hielt mir einen Zettel hin:
Lieber Mr. Kipling,
in Kürze werde ich eines Verbrechens beschuldigt werden. Ich muss jetzt gehen, um meinen guten Namen zu schützen.
Sie sind für mich wie ein Vater gewesen.
Bitte verzeihen Sie die kurzfristige Mitteilung.
Und bitte verzeihen Sie mir.
Simon Green
»Hast du irgendeine Ahnung, um was es dabei geht?«, fragte Mr. Kipling mich. »Und was ist eigentlich mit deinem Kopf passiert?«
Ich antwortete mit einer Gegenfrage. »Mr. Kipling, warum sind
Sie
hier?«
»Simon Green hat mir gesagt, ich sollte kommen, und das habe ich getan. Ich sollte dir wohl dieselbe Frage stellen.«
Ich erklärte ihm, was Sophia Balanchine über die Kontaminierung und über Simon Greens Hass auf meinen Vater und dessen Kinder gesagt hatte.
Mr. Kipling schüttelte den Kopf. »Nein, Anya, da irrt sie sich. Simon Green hat dich lieb. Und ich habe ihn lieb.«
»Was ist mit dem Tag, als Sie damals den Herzinfarkt hatten und mich nicht verteidigen konnten?«, hakte ich nach. »Haben Sie sich je gefragt, ob er mit Absicht herbeigeführt wurde?«
»Nein. Ich habe nicht auf meine Ernährung geachtet und mich nicht richtig um mich gekümmert.«
»Sie hätten Simon Green an jenem Tag vor Gericht erleben müssen! Was ist, wenn er sich absichtlich dumm gestellt hat? Wenn er
wollte
, dass ich nach Liberty geschickt werde?«
Mr. Kipling erwiderte, ich leide unter Verfolgungswahn, ich sei paranoid.
»Er kannte meine intimsten Angelegenheiten. Er wusste, wo wir alle waren. Er wusste alles, Mr. Kipling! Was ist, wenn er die ganze Zeit mit Sophia Bitter unter einer Decke steckte …?«
»Nein! Er würde sich niemals mit Sophia Bitter zusammentun.«
»Warum nicht?«, fragte ich.
»Er würde sich nie mit ihr zusammentun, weil er der ist, der er ist.«
»Wer ist er denn?«, wollte ich wissen. »Mr. Kipling, wer ist Simon Green?«
»Mein Mündel«, erwiderte der Anwalt.
»Wer war Simon Green für meinen Vater?«
»Bevor er mein Mündel wurde, war er das Mündel
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