Edelherb: Roman (German Edition)
Anstatt also Balanchine Chocolate vor die Wand fahren zu lassen, wollte Yuji Ono die Firma auf einmal retten. Für dich, Anya. So verschroben ich das auch fand. Und ich saß hier in dieser furchtbaren Stadt fest, verheiratet mit diesem langweiligen Mann. Deshalb tat ich, was in meiner Macht stand.«
»Du hast immer noch nicht gesagt, ob du versucht hast, Natty und mich töten zu lassen.«
Sie schüttelte den Kopf. »Ihr lebt doch beide noch, oder? Was für einen Unterschied könnten die gescheiterten Attentate noch machen? Alles Vergangenheit, würde ich sagen.«
»Dein Cousin wurde fast getötet! Meine Freundin Imogen ist tot! Und wofür?« Ich legte meine Hände um ihren Hals, drückte aber nicht zu. Sophia schrie nicht.
»Für die üblichen Dinge, Anya. Für Geld. Und ein wenig aus Liebe.« Sie überlegte. »Was ist, wenn ich verspreche zu verschwinden? Wenn ich zurück nach Deutschland ginge und die Ehe mit Mickey annullieren ließe? Den Tod deines Bruders kannst du ohne mich mit ihm klären. Du kannst auch einfach entscheiden, dass jetzt Schluss ist. Der Vater für den Bruder. Was wäre, wenn wir beiden uns niemals wiedersähen?«
»Warum sollte ich dich nicht einfach umbringen?«
»Hier in St. Patrick’s Cathedral? Ein braves katholisches Mädchen wie du? Das glaube ich erst, wenn ich es sehe.« Sie lachte. »Du wirst mich nicht töten, weil du kein Mörder bist. Das habe ich auch zu Yuji Ono gesagt, als ich dich zum ersten Mal sah. Vielleicht ist die Kleine schlauer als ihre Cousins, aber sie hat nicht den Mumm für unsere Arbeit.«
»Das stimmt nicht.«
»Du glaubst, du wärst taff, weil du diesem Attentäter die Hand abgeschlagen hast. Es ist aber nicht taff, jemanden nur zu verletzen, wenn man denjenigen eigentlich umbringen müsste.
Genau jetzt, Liebchen, wäre es am klügsten, die Machete unter deinem Mantel hervorzuziehen und sie mir ins Herz zu stoßen. Aber das tust du nicht. Ich beneide dich nicht. Die Tochter einer Polizistin und eines Verbrechers. Wie dein Herz mit sich selbst im Clinch liegen muss. Nein, du wirst mich gehen lassen. Du glaubst, dass du das entscheidest, aber es ist längst entschieden.«
Ich löste meine Hände von ihrem Hals, und sie entfernte sich rückwärts von mir, lief den Gang hinunter.
Ich folgte ihr und drückte ihr die Machete in die Seite, doch die Klinge durchbohrte nur ihren Kaschmirmantel.
»Verflucht, ich mag diesen Mantel«, schimpfte sie.
»Sag mir nur eins: Wer hat dir geholfen? Die Kontaminierung kannst du nicht allein organisiert haben. Du musst hier einen Komplizen gehabt haben. War es Fats?«
Sie schüttelte den Kopf, und ihr Spinnenhut hüpfte auf und ab.
»War es Yuri? Mickey? Jacks?«
Sie kniff die Augen zusammen, so als könne sie mich dadurch besser sehen. Ihre Lippen bildeten so was wie ein Lächeln. »Der junge Anwalt«, flüsterte sie.
»Simon Green …? So was würde Simon nie tun.«
»Hat er aber. Er hasst deinen Vater, Anya. Und dich hasst er auch.«
»Das glaube ich dir nicht. Simon Green hasst mich nicht.« Ich konnte nicht umhin, an das zu denken, was Jacks mir erzählt hatte.
»Für alles unter der Sonne haben die Leute Gründe.« Sophia zuckte mit den Schultern. »Jetzt habe ich alle Karten auf den Tisch gelegt. Warum sollte ich lügen?«
Sie wandte sich ab und verließ die Kirche raschen Schrittes. Ich wünschte mir, ich wäre in der Lage gewesen, sie umzubringen, doch Sophia hatte recht: Damals war ich noch katholisch genug, um so etwas nicht in einer Kirche zu tun.
Ich zögerte, blieb dort im Kirchgang stehen und fragte mich, ob ich sie vielleicht stattdessen auf der Treppe töten könnte.
Gerade wollte ich ihr nachlaufen, als mich etwas unglaublich Schweres am Hinterkopf traf.
Trotz meiner Erziehung missbrauchte ich den Namen Gottes.
Ich drehte mich gerade noch rechtzeitig um, um zu sehen, wie eine Bibel auf meine Stirn niedersauste.
Kurz bevor sie mich traf, lachte Sophia Bitter.
Als ich erwachte, lag ich in einem Krankenhausbett. Ich verspürte einen leichten Schmerz und eine unglaubliche Wut. Ich hatte Sophia Bitter entkommen lassen. Wer wusste, wo sie war und was sie als Nächstes anstellen würde? Außerdem war ich Krankenhäuser ungefähr so leid wie die Erziehungsanstalt Liberty.
Ich musste los. Ich stand auf, mir wurde leicht schwindelig. Ich konnte noch nicht lange hier sein; ich trug immer noch meine Kleidung. Meine Schuhe, jedoch nicht die Machete, fand ich im Schrank. Ich ging ins Badezimmer, um
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