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Edelweißpiraten

Edelweißpiraten

Titel: Edelweißpiraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Reinhardt
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Gesindel wie uns sollten sie ruhig kurzen Prozess machen. Wahrscheinlich hatten wir sie gestört mit unseren Liedern. Oder sie hatten was gegen unsere Haare oder überhaupt dagegen, wie wir aussehen. Oder es waren einfach Nazis.
    Auf dem Bahnsteig haben sie uns zusammengetrieben. Einige von der SS hatten ihre Maschinenpistolen jetzt im Anschlag und haben auf uns gezielt. Ich hab weiche Knie gekriegt. Es ist ’n verdammt komisches Gefühl, in so ’ne Mündung zu sehen.
    Dann mussten wir aus dem Bahnhof raus. Wer zu langsam war, hat ’n Schlag in den Rücken gekriegt, dass er’s nicht so schnell vergisst. Draußen mussten wir auf Lastwagen steigen, dann haben sie uns zur nächsten Polizeiwache gebracht.
    Da wurden wir schon erwartet. Wir mussten auf ’nem langen
Flur stehen, nebeneinander an der Wand, keiner durfte sich setzen oder was sagen. Die SS-Leute standen uns gegenüber und haben uns bewacht, dann wurden wir in eins der Zimmer gerufen. Immer einzeln, jeder für sich. Es war ziemlich heftig, da zu stehen und zu warten, denn durch die Tür konnten wir die ganze Zeit das Gebrülle und Geschreie hören, oft gab’s auch ein Klatschen oder ’n dumpfen Schlag. Viele von denen, die rauskamen, bluteten im Gesicht.
    Die Sache hat ’ne halbe Ewigkeit gedauert. Irgendwann war ich an der Reihe und bin rein. Drinnen saß ein Polizist hinter seinem Schreibtisch, ich musste mich davor aufstellen. Setzen durfte ich mich noch immer nicht. Zwei SS-Leute waren auch im Raum, die haben sich direkt hinter mich gestellt.
    Der Polizist wollte wissen, wie ich heiße und wo ich wohne. Ich wollte es ihm nicht sagen, weil wir uns ja geschworen hatten, es nicht zu verraten. Also hab ich ihn erst mal gefragt, was mir eigentlich vorgeworfen wird.
    Aber das hätte ich besser nicht getan. Kaum hatte ich’s raus, da packt mich einer der SS-Leute und dreht mir den Kopf zur Seite, und der andere gibt mir ’ne Ohrfeige, dass ich nur noch Sternchen sehe. Ich soll das Maul halten, hat er gebrüllt, und gefälligst nur auf das antworten, was ich gefragt werde.
    Der Polizist hat gewartet, bis ich wieder einigermaßen klar sehen konnte, dann hat er seine Frage wiederholt. Was blieb mir übrig? Ich hatte keine Lust, dass die Kerle mir die Knochen brechen. Also hab ich ihm gesagt, wie ich heiße, wo ich wohne und wo ich arbeite.
    Danach wollte er wissen, zu welcher HJ-Einheit ich gehöre. Ich hab gesagt, ich bin nicht bei der HJ. Ich konnte spüren, wie die Schläger hinter mir wieder ausholten, aber der Polizist hat abgewinkt. Ich glaub nicht, dass er’s getan hat, weil ich ihm leidtat. Wahrscheinlich wollte er einfach früher Feierabend haben.
    »Weißt du nicht, dass Fahrten ohne Erlaubnisschein von der HJ verboten sind?«, hat er gefragt.
    »Nein«, hab ich gesagt, »ist mir neu. Aber jetzt, wo ich’s weiß, werd ich drauf achten.«
    Dann wollte er alles Mögliche über mich und die anderen wissen: wo wir uns treffen, wie wir uns nennen, ob wir Kontakt zu anderen Gruppen haben und so weiter.
    »Keine Ahnung«, hab ich gesagt, »ich kenn die anderen eigentlich gar nicht. Hab nur zufällig von dem Treffen gehört und bin aus Neugierde mal hingefahren. Aber jetzt weiß ich ja, dass es verboten ist. Da tu ich’s bestimmt nicht wieder.«
    Ich hab auf treudoof gemacht, und zum Glück hat er mir halbwegs geglaubt. Dann hat er mich zum Jugendarrest verdonnert. Damit ich in Zukunft keine Dummheiten mehr mache, hat er gesagt. Eigentlich darf so was nur ein Gericht anordnen, aber im Krieg nehmen sie’s nicht so genau. »Jugendarrest im beschleunigten Verfahren« heißt das.
    Wir mussten also dableiben. Bis auf die Mädchen, die haben sie nach Hause geschickt. Natürlich nicht alleine, sie haben alle ’n Polizisten dabeigehabt. Der sollte ihren Eltern ins Gewissen reden, sich in Zukunft besser um ihre Töchter zu kümmern und vor allem dafür zu sorgen, dass sie sich nicht länger mit Gesindel wie uns rumtreiben.
    Wir sind auf mehrere Polizeiwachen verteilt worden, weil es in der einen nicht genug Arrestzellen gab. Die ganze Nacht und den Tag heute mussten wir absitzen. Die Zellen sind winzig, und alles, was drin ist, sind Pritschen mit Wolldecken, sonst nichts. Zu essen gibt’s nur trockenes Brot. Und damit einem nicht langweilig wird, kommt ab und zu ’n Polizist rein und verteilt ein paar Ohrfeigen.
    Aber das wär alles nicht so wild gewesen. Das Schlimmste ist, dass sie uns zum Abschied die Haare geschoren haben. Militärschnitt!
Und dann

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